Dezember 2018 / Internationales Bulletin / Nr. 193
Die intensivierte Totalisolation des PKK-Führers Abdullah Öcalan spiegelt die staatlichen Politik gegenüber der Kurdenfrage nur allzugut wieder. Der kurdische Volksführer Öcalan darf einschließlich seiner Familie niemanden sehen. Die Isolation Öcalan‘s hatte nach dem „Friedensprozess" begonnen, der nach den Wahlen vom 7. Juni 2015 mit dem Massaker von Suruç beendet wurde, bei dem 33 Revolutionäre getötet wurden, darunter auch kommunistische Jugendführer. Seit Juli 2015 hat der faschistische türkische Staat den Krieg sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes verschärft und brutale Massaker verübt. Durch diesen "zivile" Staatsstreichprozess, den die AKP zum Faschismus des Palastes entwickelte, wurde nach dem gescheiterten Putschversuch der gülenistischen Bewegung am 15. Juli 2016 die vollständige Kontrolle von Polizei und Militär durch das Erdoğan-Palast-Regime gesichert. Im Anschluss daran wurde eine Präsidialdiktatur mittels Referendum am 16. April 2017 und Parlamentswahlen am 24. Juni 2018 errichtet. Bei dem Versuch, seine gesellschaftlichen Legitimitätskrise zu überwinden, verhaftete das faschistische Regime HDP -Abgeordnete, um die demokratischen Kampfkanäle in diesem Prozess vollständig zu schließen und die Diktatur aufrechtzuerhalten. Unter den Festgenommenen befanden sich die Co-Vorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtaş, als Vertreter der kurdischen nationalen Befreiungsbewegung, und Figen Yüksekdağ, als Vertreterin der kommunistischen Bewegung. Ex-Parlamentarier, Zehntausende von HDP-Mitgliedern befinden sich immer noch im Gefängnis. Für die politischen Gefangenen laufen keine Gerichtsverfahren, das Prinzips „Rechtsstaatlichkeit" ist ausgesetzt. Erst kürzlich wurde die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs für die Freilassung von Demirtaş missachtet. Leyla Güven, Vorsitzende der DTK (Demokratischer Volkskrongress zur Errichtung von Rätestrukturen in Nordkurdistan), ist eine unter vielen, die vor den Wahlen am 24. Juni 2018 festgenommen worden sind. Sie wurde bei diesen Wahlen als Abgeordnete gewählt, aber trotz ihrer daraus resultierenden Straffreiheit wurde sie nicht freigelassen. Als kämpferische kurdische Frau sieht Leyla Güven die Isolation gegen Öcalan als Isolation gegen die Freiheit des kurdischen Volkes. Aus diesem brennenden Grund trat sie in einen Hungerstreik mit der einzigen Forderung, die Isolation gegen Öcalan aufzuheben. Sofort schlossen sich andere politische Gefangenen dieser Widerstandsbewegung an. Darüber hinaus hat die HDP begonnen, die Hungerstreiks in ihren Parteigebäuden zu unterstützen. Da der Staat von jeglicher Art des Widerstand eingeschüchtert wird, stürmte die Polizei die Gebäude der HDP und nahm zahlreiche Hungerstreikende in Gewahrsam, um zu verhindern, dass sich der Widerstand auf der Straße und unter den Massen verbreitet. Doch die Streiks endeten nicht. In den darauf folgenden Tagen übernahmen Neuankömmlinge die Schicht und traten dem Hungerstreik bei. So wurde spontan die Forderung dieses Widerstands auf die Beendigung des Staatsterrors und die Freilassung der Festgenommenen erweitert.
Die AKP hatte vor 2007 versucht, ihre politische Macht zu stärken, indem sie sich auf die Beziehungen mit der EU stützte und erschwerte das gesetzliche Parteiverbot als Vorsichtsmaßnahme, um nicht selbst auch in Zukunft verboten zu werden. Deshalb will Erdoğan die Unterdrückungsprozedur des Parteiverbots nicht erneut etablieren. Stattdessen wendet er andere Mittel an: Er verbietet die HDP nicht, sondern versucht sie durch die Festnahme aller Kader, die sich noch immer außerhalb des Gefängnisses befinden, handlungsunfähig zu machen. Diese Taktik wurde bisher durch die breite Parteibasis und die organisatorischen Fähigkeiten der Menschen im Umfeld der HDP verhindert. Natürlich ist dieser Widerstand immer noch nicht groß genug, um diese Angriffe zu stoppen und den faschistischen Terror zurückzuschlagen. Der Verhaftungsterror und die direkte Gewalt des Staates sind nicht nur auf die Hungerstreiks zurückzuführen. Die aufflammenden Arbeiteraktionen, wie z.B, die Aktionen der Flormar-Arbeiterinnen oder die Massenaktionen der Baustellenarbeiter des 3. Istanbuler Flughafens haben ihren Höhepunkt erreicht. Bei dem Widerstand der Bauarbeiter des 3. Istanbuler Flughafens wurden so viele Arbeiter auf einem Schlag in Gewahrsam genommen, wie noch nie zuvor in der Geschichte der Türkei. Mehr als 400 Arbeiter wurden in einer Nacht in Gewahrsam genommen und Gewerkschaftsführer festgenommen. In der kommenden Periode werden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise immer spürbarer und damit werden sich auch die Aktionen der Arbeiter*innen vermehren. In dieser Zeit steht die Türkei erneut vor Wahlen. Die Wahlen, die den Herrschenden als Mittel zur Erlangung gesellschaftlicher Legitimität dienen, werden uns als Basis für den revolutionären Kampf und dem antifaschistischen Widerstand dienen. Die HDP ist die demokratische Einheitsfront der Unterdrückten, einschließlich der Kommunisten und der kurdischen nationalen Befreiungsbewegung. In diesem Sinne gehört es zu unseren Aufgaben, Bestrebungen innerhalb der HDP entgegenzutreten, mit der bürgerlichen Linken (wie der CHP ) und Liberalen zusammenzuarbeiten. Ein solches Bündnis mit bürgerlichen Parteien wird die HDP schwächen und entspricht nicht dem revolutionären Wesen der Partei. Aus diesem Grund sind die Hungerstreiks, Straßenkundgebungen, Aktionen der Arbeiter, lokale Widerstände gegen ökologische Zerstörung, Rebellionen von Arbeitslosen oder Studenten sowie jegliche Art von Widerstand gegen den Erdoğan-Faschismus in unserem Blickfeld. Mit diesem Widerstandsgeist wollen wir die vereinigte demokratische Front zu stärken. In einer solchen politischen Atmosphäre beinhaltet der Widerstand gegen den Faschismus organisatorische Kontinuität, in dem die durch ständige Festnahmen aufgelösten Parteiorgane immer wieder neu organisiert werden. Die von Leyla Güven begonnenen Hungerstreiks sind der Beginn einer neuen Welle von Widerständen in dieser Zeit. Als Kommunisten beteiligen wir uns mit aller Kraft an diesem Widerstand von Europa bis in die Türkei, Nordkurdistan bis Rojava. Wir unterstützen die Forderung „Freiheit für Öcalan", um den Faschismus zu besiegen und das historische Bündnis mit der kurdischen nationalen Befreiungsbewegung auf revolutionärer Basis voranzutreiben. Kommunist*innen, die direkt an den Hungerstreiks in einigen Städten teilnehmen oder Solidaritätsbesuche in Parteigebäuden machen, organisieren Agitprop auf den Straßen und nehmen jegliche Staatsgewalt in Kauf. Die Niederlage des Faschismus wird nur möglich sein, wenn gleichzeitig friedliche und gewaltsame Mittel eingesetzt werden und jede Position revolutioniert wird. Wir werden mit unserem Widerstand denjenigen Atem verschaffen, denen der Faschismus sogar das Atmen verbietet, weil sie ihre Freiheit nicht aufgeben.
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