Roter Morgen / Ausgabe 16 / Summer 2018 Aus: Stimme der Partei, Ausgabe 88
Ihr seid ständig gehetzt, findet nicht eine ruhige Minute, kommt Tag und Nacht nicht mal dazu, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Aber trotz all dem herumrennen, obwohl ihr bei der Arbeit keinen Augenblick verliert, kriegt ihr eure angestrebten Erfolge nicht zu fassen, erreicht ihr nicht die von euch erwarteten Ergebnisse. Ihr könnt nicht mithalten mit den politischen Entwicklungen, seid verwirrt, auf welche Entwicklung ihr mit welcher Art von Reflex reagieren sollt, und rennt ausgebrannt von einer Aktion zur Nächsten! Ist das so? Wie ein Schiff, dass seine Route verloren hat, wendet ihr euch hin, wo auch immer die Wellen und der Wind euch treiben; ihr findet euch immer mit dem Problem beschäftigt, das gerade an eure Tür klopft? Ertappt ihr euch selbst völlig unerwartet dabei, wie ihr mit einem technischen Problem am ringen seid, statt notwendige Vorbereitungen für ein Treffen zu treffen, das der Kritik an politischen und organisatorischen Arbeiten dient? Während ihr eigentlich gerade zu einem wichtigen Bildungstreffen aufbrechen müsst, ertappt ihr euch dabei, wie ihr mit alltäglichem Krempel am ringen seid? Lässt euch ein Gefühl von Erfolglosigkeit, Ergebnislosigkeit und Unzufriedenheit einfach nicht los und schnürt euch die Luft ab, obwohl ihr ständig in Bewegung seid, obwohl ihr intensive Arbeit leistet? Wenn ihr euch nicht nach einem Ziel richtet und keinen Plan habt, dann bringt hartes Arbeiten, dann bringt ständige Betriebsamkeit keine revolutionären Ergebnisse hervor. Es ist total normal, dass eine ziellose, horizontlose, kurzsichtige Praxis ein solches Gefühl und solche Gedanken produziert. Es gibt keinen Zweifel, dass ihr voll und ganz mit revolutionären Absichten handelt. Der revolutionäre Charakter des Inhalts eurer Aktivitäten ist glasklar. Aber, wie dem auch sei, genau wie jede andere ungeplante Aktion und jede andere Tendenz, die sich nicht nach einem Ziel richtet, ist auch eure Praxis zur Begrenztheit verdammt. Weil das so ist, handelt es sich um einen Energie verschwendenden Zustand, der weder das Individuum noch die Aktion weiter entwickelt. Die Sackgasse, in die dieser Zustand der begrenzten Praxis führt, erweckt ein Gefühl der Wiederholung in dem*der Kader*in und lässt ein Bild des „Versagens" und des „nicht Genügen" entstehen. Obwohl die Arbeitsweise der begrenzten Praxis eigentlich eine Projektion des Individuums und dessen Aktion ist, beginnt sie auf gedanklicher Ebene. Trotz der Dimensionen in denen diese Arbeitsweise beseitigt werden muss, die in Verbindung mit der Veränderung der äußeren Bedingungen stehen, von denen das Individuum und die Organisation umgeben sind, ist für einen radikalen Bruch in erster Linie eine gedankliche Veränderung erforderlich. Ohne eine Umwandlung innerhalb der Essenz des Standpunktes zu schaffen, ist es ganz egal wie tief gehend die äußeren Bedingungen und die Grundlage, welche die begrenzte Praxis produziert, immer wieder verändert werden - die selbe Betriebsamkeit ohne jeden Horizont wird weiter gehen. Solange der Zustand der begrenzten Praxis nicht auf gedanklicher Ebene besiegt wird, wird das Individuum, selbst, wenn unter veränderten Bedingungen, immer wieder die gleiche Mentalität mitnehmen, egal in welchen Bereich es geht. Arbeiten mit Plan und Ziel ist das Gegengift der begrenzten Praxis Planmäßiges und gezieltes Arbeiten ist einer der Hauptfaktoren, die Produktivität und Erfolg der revolutionären Arbeit bedingen. Der Erfolg der organisatorischen Führung und jedes*r einzelnen Kader*in hängt unmittelbar davon ab, dass das planmäßige und gezielte Arbeiten etabliert und entwickelt wird. Planmäßiges und gezieltes Arbeiten ist der Anspruch, die Zukunft zu gewinnen - im Unterschied zum Anspruch der begrenzten Praxis, den Tag zu retten. Was sollten wir bezüglich des planmäßigen, gezielten Arbeitens verstehen und in welchen Punkten sollten wir vorsichtig sein? Vor allem muss an die Notwendigkeit und den Vorteil der planmäßigen, gezielten Arbeit geglaubt werden. So wie die mentale Klarheit die Selbstkontrolle des Individuums mit sich bringt, so bringt der gegenteilige Zustand mit sich, dass schnell gegenüber den Bedingungen kapituliert wird. Unser zentraler Punkt kann sein „der schlechteste Plan ist besser als gar kein Plan". Wenn ihr einen Plan habt, sei er gut oder schlecht, dann bedeutet das, dass ihr wisst, was ihr wollt und wohin ihr wollt. Wenn ihr aber gar keinen Plan habt, wenn ihr euch nicht über eure Ziele im klaren seid, dann werdet ihr euch entweder den Plänen anderer anschließen oder ihr werdet euch wenden wohin auch immer das Leben euch treibt. Wie ein kleiner Stein, der in den Fluss fallen gelassen wurde, lässt ihr euch von der Strömung des Wassers und der Stärke des Windes mitreißen. Sich treiben lassen, das bedeutet nichts anderes, als sich vom Subjektsein zu lösen und zu einem Objekt zu werden. Ihr müsst unbedingt einen Plan haben. Dieser Plan mag lückenhaft sein, manch eine Frage offen lassen, usw. Lücken und offene Fragen können innerhalb der Bewegung der politischen Arbeit und innerhalb des Reichtums des Lebens und der organisatorischen Arbeit gelöst werden. Solange wir einen Plan haben, glauben wir daran, Ergebnisse zu erzielen. Wir müssen Tages-, Wochen-, Monats- und Sechs-Monats-Pläne haben. Von wo nach wo wollen wir in diesen sechs Monaten kommen, welche Ziele wollen wir erreichen? Wie viele Bücher planen wir zu lesen? Was nehmen wir uns vor zu schreiben? Wie viele Texte planen wir, in einem Monat zu schreiben? An welchen Bildungsarbeiten nehmen wir in einer Woche teil? Wie viele Organtreffen realisieren wir in 15 Tagen? Welche Genoss*innen treffen wir für ein Gespräch in einem Zeitraum von einer Woche und was wird der Inhalt der Treffen sein? Haben wir eine konkrete Idee, wie wir einen Tag verbringen wollen? Haben wir einen konkreten Plan beginnend damit, um wie viel Uhr wir aufstehen werden, bis hin zu einzelnen Verabredungen, technischen praktischen Arbeiten, in welchen Stunden wir lesen werden, usw.? Es können noch zahlreiche weitere Fragen aufgezählt werden abhängig von der Aufgabe, der wir uns widmen, oder der Ernsthaftigkeit des Bereiches in dem wir arbeiten oder unserer Erfahrung usw. Worum es hier geht ist Tages-, Wochen-, Monats-, Sechs-Monats-, Jahrespläne im Kontext unserer revolutionären Aufgaben zu haben. Wir müssen über einen Mechanismus verfügen, eine Methode der Selbstkontrolle, um keinerlei Raum für Spontanität zu lassen. Das ist notwendig, um zu prüfen, in wie fern unsere Praxis mit unseren Plänen harmoniert und um die Ergebnisse unserer Arbeit zu sehen. Eine solche Aktivität der Kontrolle legt die Harmonie und die Konflikte zwischen unseren Plänen und unserer Praxis unverhüllt offen und ist wichtig für die Beständigkeit und Kontinuität des Willens. Reihenfolge der Prioritäten Eine weitere Notwendigkeit, die genauso wichtig ist, wie das Erstellen von Plänen und die Qualität des planmäßigen Arbeitens, ist es, die Prioritäten richtig zu bestimmen. Die Reihenfolge der Prioritäten festzulegen ist ein Zeichen von Klarheit hinsichtlich der Ziele. Und Zielklarheit ist die Voraussetzung für Zielstrebigkeit. Haben wir in dieser Woche organisatorische Probleme zu lösen? Dann ist dieses organisatorische Problem unsere erste Priorität in der Wochenplanung. Gibt es ein organisatorisches Thema, für das keine Zeit ist? Es muss in unserer Prioritätensetzung den Wert zugesprochen bekommen, den es verdient. Eine Prioritätensetzung sichert die Trennung des Essenziellen vom Untergeordneten, die Trennung dessen, was abhängig von der verfügbaren Zeit gemacht werden kann, und dem, was dringend ist; sie sichert die effiziente Nutzung unserer Energie. Wir müssen in der Planung eine gute Balance zwischen Realismus und Anspruch halten. Jene Pläne, die losgelöst von der Realität der Kader*innen und der Organisation, überzogen, perfektionistisch sind, werden nicht nur nicht realisiert sondern verursachen gleichzeitig Demoralisierung und Motivationsverlust. Aus diesem Grund ist die Richtigkeit nicht an ihrer Perfektion zu messen sondern an ihrer Umsetzung. Natürlich geht es in keiner Weise um die Legitimierung der Anspruchslosigkeit im Namen der „realistischen" Pläne. Die Pläne müssen so beschaffen sein, dass sie zur Realität der Kader*innen und der Organisation passen aber diese Realität gleichzeitig herausfordern und verändern. Um so mehr es gelingt, dieses Gleichgewicht zu halten, um so mehr öffnet sich der Weg zur Veränderung. Tages-, Wochen- und Monatspläne sind wichtig, da sich in ihnen ein Anspruch und eine Tendenz zeigt, aber was vor allem zählt, ist die Entschlossenheit zur Realisierung der verkündeten Pläne. Denn Pläne machen und Ziele definieren ist nicht so schwer. Schwierig ist es, den Willen zu entwickeln, die Pläne zu realisieren. Revolutionärer Willen und die Entschlossenheit, die aufgebracht wird, Pläne zu verwirklichen, ist die Sicherstellung ihres Erfolges. Beispielsweise sind es nicht gerade wenige von uns, die beinahe jede Woche oder jeden Monat „perfekte" Pläne machen und dabei kund tun „dieses mal werde ich sie umsetzen" und sie dann an Seite legen und vergessen. Es gibt bekannterweise auch diejenigen, die unglaublich viel Zeit damit verbringen, für jeden Tag und jede einzelne Stunde aufzuschreiben, was sie tun werden, und das Geschriebene dann sofort achtlos liegen lassen, noch bevor die Tinte Zeit hatte, zu trocknen. Es ist klar, dass es sich hierbei um nichts außer den Verlust der Glaubwürdigkeit der Worte handelt. Und dies führt zu nichts außer revolutionärem Verbalismus. Wir können eine klare Haltung sowohl bezüglich des Erstellens der Pläne als auch in unserer Loyalität zu diesen Plänen haben und wir können einen ernsthaften Willen bei ihrer Anwendung zeigen. Aber, trotz alledem, können Geschwindigkeit und Richtung der politischen Entwicklungen, andere auftauchende organisatorische Probleme bewirken, sodass wir zwingend notwendige Veränderungen an unseren Plänen vornehmen müssen. Sicher, wir werden nicht mechanisch denken und uns oder das Organ schnell entsprechend der Entwicklungen selbst organisieren. Ein schneller Reflex bezüglich neuer Entwicklungen, Antworten auf die Bedürfnisse der Entwicklungsprozesse zu haben, ist genauso wichtig, wie die Durchführung unserer Pläne. Unser Hauptkriterium hier ist, dass wir nicht von unserem Hauptziel abweichen, dass wir uns nicht von unserem Ziel lösen. Wenn wir in diesem Punkt klar sind, dann werden vorübergehende Unterbrechungen oder Änderungen in unseren Plänen nicht entscheidend sein und wir werden in keinerlei Art der Spontanität verfallen. Nein, das ist keine technisch-praktische Sache, die wir hier diskutieren! Sowohl die begrenzte Arbeitsweise als auch die planmäßige, gezielte Arbeit beruhen auf ideologischen Standpunkten. Als Kader*innen einer Partei, die die Aktualität der Revolution bei jeder Gelegenheit zur Sprache bringt und ihre Existenz und Möglichkeiten dieser Realität entsprechend organisiert, sprechen wir hier voll und ganz über ein ideologisches Feld. Die Arbeitsweise des*r begrenzten Praktiker*in, definiert durch die verschiedenen Schattierungen und Arten der horizont- und ziellosigkeit, kommt nicht über das den-Tag-Retten hinaus und erschafft einen Kader*innen-Typ, der es nicht schaffen kann, den Klauen der revolutionären Spontanität zu entrinnen. Das planmäßige, gezielte Arbeiten hingegen bildet aus strategischer Sicht Kader*innen heran, die ihre Aktions- und Denkweise dieser Herangehensweise entsprechend, nicht vom Ziel abgewichen wird. Die Frage stellt sich also folgendermaßen: Werden wir zulassen, dass unsere Energie und sogar unser Revoltionärsein von einer begrenzten Arbeitsweise aufgefressen wird, oder werden wir einen Willen zeigen, unsere individuelle Entwicklung oder die Entwicklung unseres Organs, auf eine revolutionäre Art und Weise anzuleiten, indem wir auf eine gezielte, geplante Arbeit bestehen? Um ein*e revolutionäre*r Kader*in zu sein, benötigen wir die Klarheit darüber, welchen Weg wir gehen müssen. Und darüber hinaus? Darüber hinaus gibt es noch den ganzen Reichtum der revolutionären Aktivitäten und die Erfahrungen, die wir uns innerhalb der Kämpfe aneignen.
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