Eine Krise ist aus den Wahlurnen der Türkei ans Licht gekommen. Die vorgezogenen allgemeinen Wahlen, die vorgezogen wurden, um politische Stabilisierung und politi-sches Vertrauen zu erreichen, haben auch zu Elementen einer neuen Krise und Instabilität geführt. Von den Regimeparteien ist es am 3. November 2002 nur der islami-schen AKP (Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung) und der "sozial-liberalen" CHP (Republikanische Volkspartei) gelungen, die Zehnprozenthürde zu überwinden. Die anderen 16 politischen Parteien, die sich an den Wahlen beteiligt hatten, scheiterten an der Zehnprozentklausel.
Die AKP erreichte 34.5% der gültigen Stimmen und stellt 363 Abgeordnete für das Parlament, und die CHP stellt mit ihren 19,5% der Stimmen 178 Abgeordnete für das Parlament.
Die traditionellen Regimeparteien des Imperialismus und der kollaborierenden Monopolbourgeoisie haben einen totalen Bankrott und Zusammenbruch erlebt. Sie sind fast von der Zehnprozentklausel und von dem von ihnen selber verabschiedeten Wahlgesetz erdrückt worden.
Die Dreier-Koalitionsregierung, die die Türkei drei Jahre lang regiert hat, ist an der Zehnprozenthürde gescheitert. Eine der Regierungsparteien, die MHP (Partei der Nationalen Bewegung) ist eine rassistische, faschistische und chauvinistische Partei. Im Prozess der Wahlen von 1999 hatte diese Partei 17.98% der Stimmen erhalten und wurde zum Regierungspartner, indem sie den türkischen Chauvinismus und Nationalismus gegen die nationale kurdische Bewegung geschürt hat. Bei den Wahlen vom 3. November 2002 ist ihr Stimmenanteil auf 8.5% gesunken.
Bereits seit den 70er Jahren hat die MHP in der Türkei und in Nordkurdistan eine Rolle als aggressive paramilitärische Kraft der faschistischen Diktatur gespielt, die gegen re-volutionäre Massenbewegungen, gegen den Kampf für die Revolution und den Sozialismus eingesetzt worden ist. Sie hat Tausende von Revolutionären ermordet. Die Mitglieder dieser Partei haben sich an allen Amtsmissbräuchen, Bestechungen, etc und an allen Mafia- und Bandengruppen beteiligt. Vor kurzem wurde der falsche "Nationalismus" der MHP durch die Unterwerfung unter die Ermächtigung von USA, EU und IWF klar und deutlich.
Die Partei des Premierministers der letzten drei Jahre, Bülent Ecevit, die DSP (Demokratische Linkspartei), hat bei diesen Wahlen eine totale Niederlage erlitten. Die DSP, die sich noch vor den Wahlen gespalten hat, hat ein totales Scheitern zu verbuchen. Die DSP ist eine links-nationalistische Partei. Die Entführung von Abdullah Öcalan, Vorsitzender der PKK durch eine imperialistische Verschwörung und die Anwendung einer "linken" Version des türkischen Nationalismus und Chauvinismus haben bei ihrem Wahlergebnis von 22,17% der Stimmen, das sie bei den Wahlen von 1999 zur stärksten Partei gemacht hat, eine wichtige Rolle gespielt. Bei den Wahlen vom 3. November hat diese Partei 1,3% der Stimmen erhalten und ist von der politi-schen Arena verschwunden.
Die andere Regierungspartei, die auf der Seite der EU steht und Propaganda für den Eintritt der Türkei in die EU gemacht hat, ANAP (Vaterlandspartei) und ihr Parteivorsitzender Mesut Yilmaz haben ebenfalls eine extreme Niederlage in den Wahlen erlitten. Diese Partei ist auch bekannt für Amtsmissbrauch bei Banken und Gerichten. Ihr Stimmenanteil über 13.2% von 1999 hat sich auf 5.1% reduziert.
Die Abnutzung der Parteien, die die Dreier-Koalition gebildet haben, ist auch an dem Rückgang der gesamten Stimmanteile zu sehen; 1999 haben diese drei Parteien zusammen 53.3% der Stimmen erreicht, aber bei den Wahlen am 3. November 2002 ist ihr gesamt Stimmanteil auf 15% gesunken.
Die andere faschistische Partei, die im Parlament in der Opposition war, die DYP (Partei des Richtigen Weges), hat ebenfalls eine harte Niederlage erlitten. Die DYP, die eine der Parteien der "Kriegsregierung" war, die 1993 einen schmutzigen uns blutigen Krieg gegen die kurdische nationale Bewegung und antifaschistische Volksbewegung geführt hat, ist ebenfalls an der Zehnprozentklausel gescheitert. In den letzten Wahlen belief sich ihr Ergebnis auf 9,5% der Stimmen, sie haben es nicht geschafft im Parlament vertreten zu sein.
Die Regierung der DYP und ihrer Vorsitzenden T. Ciller hat den türkischen Nationalismus gegen Griechenland provoziert und das türkische und griechische Volk zu der Stufe eines Krieges getrieben indem sie eine Fahne auf einer der kleinen ägäi-schen Inseln gehisst haben und durch "Kieselsteinpropaganda". Tansu Ciller hat in ihrer Wahlpropaganda nicht darauf verzichtet zu sagen, dass sie während der Besetzung des Iraks durch die USA gerne die Premierministerin wäre.
Die DYP hat die "Susurluk-Banden", die durch Zusammenarbeit von Kapital, Militär und Politikern gebildet sind und Tausende von Menschen durch konterrevolutionäre Anschläge auf revolutionäre und kurdische Patrioten ermordet haben, als Helden hingestellt und zahlte Bestechungsgelder. Sie hat alle pensionierten faschistischen Polizeidirektoren und pensionierten Generäle zu sich eingeladen und schützt sie.
Die kolonialen und imperialistischen Kriegsparteien, DSP, MHP, ANAP, SP (Partei des Wohlergehens), DYP etc. und ihre Führer B. Ecevit, D. Bahceli, M. Yilmaz, R. Kutan, T. Ciller etc. sind, wie man sieht, Geschichte geworden.
Die Dachpartei DEHAP , die sich auf die Kraft der kurdischen nationalen reformistischen Partei HADEP und auf die der kleinbürgerlichen und reformistischen Parteien EMEP (Partei der Arbeit) und SDP (Sozialistische Demokratie Partei) stützte, erreichte 6,2%. Vorher hatte HADEP 4,8% der Stimmen erreicht. Diese Parteien, die an den Wahlen als "Block der Arbeit, des Friedens und der Demokratie" teilgenommen haben, haben nicht so viele Stimmen wie sie erwartet hatten bekommen.
Auch die anderen linken reformistischen Parteien, ÖDP und TKP konnten nicht von sich reden machen, sie blieben unter 0,5% der Stimmen.
Wirklichkeiten, die die Wahlergebnisse ans Licht gebracht haben und mögliche Entwicklungen
In der Türkei reicht all die Propaganda über "neue Politik, neue Parteien und eine neue Mentalität" nicht aus, um die strukturelle Krise zu überwinden, die aktuelle politische Krise wird sich auf verschiedenen Ebenen und Formen fortsetzen. Die AKP ist eine Koalitionspartei. Es gibt verschiedene reaktionäre/faschistische Strömungen, vom politischen Islam bis zu den Liberalen, über MHP-Banden bis zu Überresten der Hizbullah, die sich alle an der AKP beteiligen. In der Zukunft wird die Regierung der AKP Konflikte durchmachen, nicht nur mit ihren politischen Linien, sondern auch aufgrund interner Widersprüche zwischen den politischen Fraktionen, die sich wegen ihrer eigenen Interessen zusammengetan haben.
Trotz der Unterstützungsbekundungen von USA, EU und TÜSIAD (der Organisation der Großkapitalisten) werden die Widersprüche zwischen der Regierung der AKP und der MGK (Nationale Sicherheitskommission), dem Präsidenten, der CHP und dem Militär sich im Rahmen von Scheriaht und Laizismus fortsetzen.
Die AKP hat mit 26% der Gesamtwähler 2/3 der Sitze des Parlaments erreicht, was nach dem Wahlgesetz, das auf Stabilität aus ist, die Bildung der Regierung aus einer Partei bedeutet. Indem sie einige unabhängige Abgeordnete kaufen, werden sie in der Lage sein, genug Stimmen für Verfassungsänderungen zu bekommen.
22% der Wähler haben sich nicht an den Wahlen beteiligt. Der Wille von 45% der Wähler ist wegen der Zehnprozentklausel nicht im Parlament repräsentiert. Dieser Anteil betrug bei den Wahlen von 1999 17%. Nur 40% der Gesamtwähler wurden im Parlament repräsentiert. Die Kurden sind im Parlament nicht vertreten. Wie die Fakten zeigen, haben diese Wahlen ein Legitimitätsproblem. Die Leute, die von der Minderheit der Wähler gewählt worden sind, können nicht das Recht haben, die Mehrheit zu vertreten. Diese Situation wird in Kürze zu einer Wiederholung der Wahlen und einer Legitimitätsdiskussion führen.
Natürlich gibt es unzählige politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gründe für den Bankrott der traditionellen Regimeparteien
Das kurdische Volk ist durch seinen nationalen Befreiungskampf aus dem politischen und ideologischen Einfluss der herrschenden Klassen ausgebrochen.
Das Misstrauen der türkischen Arbeiter und Werktätigen gegenüber dem bürgerlichen Staat, staatlichen Institutionen, der bürgerlichen Presse, der bürgerlichen Armee und den Regimeparteien hat sich an jedem vergangenen Tag erhöht, und sie sind in dem Prozess, sich von deren Einfluss zu befreien. Die veränderten Forderungen der werktätigen Massen an die Regierenden haben zu der Neustrukturierung in der Politik geführt. Und durch die Neustrukturierungspolitik vom Militärputsch vom 28. Februar werden sie versuchen, diese "neue" Situation zu leiten und zu gestalten.
Durch die AKP-Regierung will der Staat der türkischen Bourgeoisie versuchen, dem Misstrauen und dem Ausbrechen der Massen aus dem kapitalistischen System und dem faschistischen Regime und seinen Institutionen ein Ende zu machen und er beabsichtigt, die Reaktionen der Massen zu beschwichtigen, sie zurück zum System zu bringen mit dem Ziel, dass sie ihren Frieden mit dem Regime machen.
Die AKP erlebt einen Wahlsieg
weil dieses Wahlergebnis Ausdruck der Reaktion von Millionen von Unterdrückten auf Amtsmissbrauch, Armut, Arbeitslosigkeit und Elend ist. Die Banden des Amtsmissbrauchs, der Bestechungen und von Susurluk sind mit ihren Spekulationen und Machenschaften immer auf der Tagesordnung der Massen, die unter Armut und Arbeitslosigkeit leiden. Der Vorsitzende der AKP, Recep T. Erdoan hat während
seiner Zeit als Bürgermeister von Istanbul unverdient in den Augen der armen Massen das Image eines "ehrlichen und sauberen Vorsitzenden" erlangt.
Dieses Wahlergebnis ist eine Reaktion gegen die Sklaverei der Abhängigkeit vom US-Imperialismus und vom IWF, auf die nationale Unwürdigkeit und die Besetzung von Palästina und der Aggression der USA gegen den Irak. Dieses Wahlergebnis ist eine Reaktion gegen die ökonomische Krise, auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Programme und Politik des IWF, und eine Reaktion auf die Regimeparteien, denen es nicht gelungen ist, Lösungen für diese Schwierigkeiten und Probleme zu finden.
Die AKP ist aus diesen Wahlen erfolgreich hervor gegangen. Millionen von unterdrückten Menschen und Armen in den Vororten haben ihre Stimmen aus Hilflosigkeit dieser Partei gegeben, weil sie neu war.
Dieser Wahlausgang ist das Ergebnis der Suche der Menschen nach einem Ausweg aus der Degeneration, die durch das kapitalistische System hervorgerufen wird und aus der ökonomischen Krise, der geistigen Welt der Gesellschaft, den Werten, Traditionen und Gefühlen. Die Tatsachen und Phantome wie Bestechung, Prostitution, Schmuggel, Betteln, Hunger, Armut, Auflösung der Familie und der verwandtschaftlichen Beziehungen haben die Leute dazu gebracht, sich in den Islam zu flüchten. Die Adresse dafür war die AKP. Die AKP-Regierung wird die Programme und die Politik des IWF umsetzen. Sie wird die imperialistische Besetzung und den Krieg der USA gegen den Irak unterstützen. Die AKP wird gemäss der Forderungen und Bedürfnisse von TÜSIAD, MGK, USA und der EU handeln. Die AKP ist augrund ihres gesellschaftlichen Opportunismus dafür anfällig.
Die andere mögliche Entwicklung wäre die Schaffung einer Situation ähnlich der des 28. Februar. Die religiösen Fraktionen, die für die AKP gestimmt haben, werden viel-leicht Schritte einfordern, die ihren eigenen Interessen und Standpunkten entsprechen. Und für die MGK und einige Nicht-Regierungs-Organisationen ist es möglich, darauf zu reagieren und Protest dagegen zu organisieren. Wir müssen auch für diese Entwicklung vorbereitet sein.
Die SPU (Sozialistische Plattform der Unterdrückten) war die revolutionäre Alternative
Bei den Wahlen vom 3. November wurde die SPU und ihre unabhängigen sozialistischen Kandidaten, unterstützt von der MLKP, zu der revolutionären und sozialistischen Wahl der Arbeiter- und Werktätigenmassen. Die MLKP hat revolutionär und aktiv durch die unabhängigen sozialistischen Kandidaten der SPU in den Wahlprozess eingegrif-fen. Sie hat in dieser Periode die revolutionäre Erleuchtung, die Organisation und die Kampfmethoden entwickelt, vermehrt und gestärkt.
Die SPU, als Stimme und Avantgarde der unterdrückten Völker, hat mit starkem revolutionärem Willen und Anspruch ihren Glauben an die Zukunft, ihre Hoffnung und Entschlossenheit ausgedrückt indem sie sagt: "Wir sind davon überzeugt, dass jeder bald sehen wird, dass die Unterdrückten nicht alternativlos sind. Wir setzen unseren Weg in diesem Bewusstsein und mit dieser Überzeugung fort'"
Sie hatten Recht, denn sie haben keine liberalen und reformistischen Erwartungen bei den Menschen geweckt. Sie haben den Arbeitern, den Werktätigen, der Jugend und dem kurdischen Volk klar und offensichtlich die revolutionäre Alternative erklärt. Sie haben dem Proletariat und der Menschheit den Weg zur Befreiung gewiesen.
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