Das Memorandum vom 27. April und die Positionsbeziehung der Regimekräfte
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Die fortschreitende Positionsbeziehung der inneren Kräfte des Regimes um die Präsidentschaftswahlen erreichte mit dem Memorandum der faschistischen Generäle am 27. April ihren Höhepunkt.
In den seit Monaten andauernden Auseinandersetzungen im Cankaya-Palastkrieg hat das Hinauszögern der AKP (Partei für Gerechtigkeit- und Entwicklung) - Regierung um die Aufstellung von Kandidaten zu deutlicher Spannung geführt.
Die türkische Armee, die drei Militärputsche (27.5.1960, 12.März 1972 und am 12.9.1980) und am 28. Februar 1997 einen "postmodernen Putsch" durchgeführte, behauptete schon immer, die einzige Herrin und Verteidigerin der Republik zu sein. Seit die AKP in der Regierung ist, gab es einige Veränderungen in den Kräfteverhältnissen zwischen TÜSIAD und der AKP einerseits und der Armee und den sie unterstützenden Kräften andererseits; erstere hatten in einigen Punkten gegen letztere gewonnen. Die Präsidentschaftswahlen bedeuten aus jeder Sicht die Neuordnung jener Kräfteverhältnisse, die sich zwischen den Kräften des Regimes herausgebildet haben. Die Armee und ihre Unterstützerkräfte bewerteten die Stellung des Präsidenten durch die AKP als eine Gefahr für die herrschende Macht und einen Schritt, der ihre Positionen schwächen und aufgrund des symbolischen Wertes, den der Staatspräsident trägt, die Grundpfeiler des Regimes zerstören könnte. Die Armee, die größte Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) und einige andere Kräfte derselben Linie haben viel Druck ausgeübt dafür, die AKP vom Präsidentschaftsposten fernzuhalten. Das ideologische Schwert der Armee in diesem Machtkampf heißt Laizismus.
Während diese Kräfte einerseits die AKP mit Drohungen unter Druck zu setzen versuchen, haben sie andererseits auch versucht, die Massen, die in sich die Wut gegen die kollaborierende Politik der AKP-Regierung tragen, mit einer Kundgebung am 14. April in Ankara gegen die Regierung aufzuhetzen. Und sie schafften dies, indem sie Hunderttausende auf die Straße brachten.
Am 24. April stellte die AKP dann endlich ihren Kandidaten der Öffentlichkeit vor. Doch in jener Sekunde, in der der Name des Außenministers Abdullah Gül genannt wurde, spitze sich die Diskussion „Werden jetzt Kopftücher in Cankaya einziehen" zu.*
Die Präsidentschaftswahl begann am Nachmittag des 27. April. Weil in der ersten Runde die erforderliche Mehrheit von 367 Stimmen nicht erzielt wurde, wurde die Wahl zur Wahlkrise: Die CHP wiederum, die in diesem Streitkampf von Anfang an der Hauptsprecher der Armee im Parlament gewesen ist, legte Beschwerde beim Verfassungsgericht ein, weil „die Wahlen nur hätten stattfinden können, wenn mindestens 367 Abgeordnete teilgenommen hätten"**. Der Streit um 367 Abgeordnete hatte Wochen zuvor begonnen und die CHP hatte ihre Beschwerde schon Tage zuvor schriftlich fertig gestellt. Dies war der einzige Vorwand von Rechts wegen, die AKP zu hindern, welche ausreichend Stimmen für die Wahl des Präsidenten zur Verfügung hat.
In derselben Nacht veröffentlichte der Generalstab auf seiner homepage ein Memorandum und gab somit seine Haltung bekannt: „Das Problem, das während der Präsidentschaftswahlen in den letzten Tagen hervorgetreten ist, hat sich nun auf die Diskussion um den Laizismus konzentriert. Die türkischen Streitkräfte verfolgen diese Lage mit Sorge. Es darf nicht vergessen werden, dass die türkischen Streitkräfte eine der Seiten in dieser Debatte und die absolute Verteidigerin des Säkularismus sind. Ferner sind die türkischen Streitkräfte gegen diese durchgeführten Debatten und jegliche Kommentare, die negativ ausfallen, und werden ihre Haltung dazu deutlich zeigen, wenn es notwendig wird."
In der Erklärung heißt es weiter: „Die türkischen Streitkräfte wahren ihre unerschütterliche Entschlossenheit, die ihnen für die Wahrung ihrer Eigenschaften per Gesetz zugeschriebenen offenen Aufgaben vollkommen zu erfüllen. Dabei sind die Gebundenheit und ihr Glaube an diese Entschlossenheit unanfechtbar." Dies kommt somit einer direkten Warnung vor einem Militärputsch gleich.
Die AKP-Regierung jedoch setzt ihre trotzige Haltung, die sie nach Veröffentlichung des Memorandums annahm, unverblümt fort. So bewertete sie die Erklärung des Generalstabs als "einen Eingriff in die Rechtsordnung" und erklärte, dass dies „unvereinbar mit dem Prinzip einer demokratischen Gesellschaft" sei.
Die Generäle zielen mit dieser Erklärung darauf ab, die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Gültigkeit der Wahlen am 27. April zu beeinflussen. Falls der erste Wahlgang für ungültig erklärt werden sollte, wird es dann voraussichtlich vorgezogene Neuwahlen Ende Juli-Anfang August geben. Der Generalstab könnte in diesen 2 Monaten versuchen, die AKP zu spalten und isolieren und ihr den Weg zur Wiederwahl in die Regierung zu versperren. Dieser Schritt könnte auch die Verfolgung verschiedener islamistischer Kräfte, die um die AKP herumschwirren, beinhalten. Mit neuen Provokationen könnte die Armee versuchen, die Arbeiterklasse und Massen der Werktätigen im Rahmen der Trennung von Laizismus und der Scharia zu polarisieren. Eine schärfere Vorgehensweise der Armee gegen die AKP ist nach Anbetracht der internationalen Konjunktur nicht sehr wahrscheinlich.
Die AKP ist ein Produkt des Memorandums vom 28. Februar 1997. Damals wurde die Koalition aus der Refah-Partei (Wohlfahrtspartei) und der DYP (Partei des Rechten Weges) aus der Regierung ausgewiesen, die Refah-Partei anschließend gespalten und liquidiert und in den Mittelpunkt trat eine „gemäßigte" islamistische AKP vom „Typ Projekt Größerer Mittlerer Osten" auf. Und nun wird mittels des Memorandums vom 27. April versucht, diese Partei, die ein Produkt des früheren Memorandums gewesen ist, aber mittlerweile über die ihr zugeschriebenen Grenzen „weit hinaustritt", von ihren errungenen Positionen zu entfernen.
Während diese Polarisation der inneren Kräfte des Regimes sich kontinuierlich zuspitzt, häufen sich die Angriffe auf revolutionäre, demokratische und fortschrittliche Kräfte und das kurdische Volk. Besonders stark könnte Druck auf die DTP (Partei der Demokratischen Gesellschaft) ausgeübt werden, um ihr durch vorgezogene Neuwahlen den Weg ins Parlament zu versperren.
Die fortschrittlichen, revolutionären und kommunistischen Kräfte in der Türkei und Nordkurdistan stehen nun vor der Aufgabe, die Linie des vereinigten Kampfes unter der Losung „Nein zu Putschisten" zu stärken.

*Seit dem 28. Februar 1997 ist das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Bereich verboten. Das Kopftuch wurde zum Zeichen für die Polarisierung zwischen Laizismus und der Scharia. Das Tragen des Kopftuches durch die Frau Abdullah Güls und somit der mögliche Einzug des Kopftuches nach Cankaya, das ein symbolischer Ort ist, ließen neue Diskussionen aufflammen. Die Frauen des Präsidenten und der AKP-Minister wurden aufgrund ihrer Kopftücher nie zu Empfängen im Cankaya-Palast eingeladen.
**Der Präsident wird von den Mitgliedern (insgesamt 550) des TBMM ("Große Türkische Nationalversammlung") dem türkischen Parlament, gewählt.
Die Anwesenheit 184 Abgeordneter genügt jedoch, um eine ordentliche Sitzung im Parlament einzuberufen. Während den Präsidentschaftswahlen kam jedoch die Bedingung zutage, dass nicht 184 sondern 367 Abgeordnete, 2/3 der Mehrheit, anwesend sein müssen.

Kundgebung zur Unterstützung der Putschisten

Am 14. April fand am Tandogan-Platz in Ankara eine Kundgebung statt, die sich gegen die voraussichtliche Kandidatur von Tayyip Erdogan richtete. Selten wurde in unserem Land eine solch große Zusammenkunft von Menschen verzeichnet. Neben der ADD (Verein zur Förderung des Gedankentums Atatürks) und die CHP führten auch andere Kreise, die sich als links hervortun, doch für das Schüren von Rassismus und Chauvinismus bekannt sind, und zivil-faschistische Parteien wie die MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) und BBP (Partei der großen Einheit) einen Massenauftritt auf. Die Teilnehmerzahl wird auf über 1 Million geschätzt, wobei nicht die Massen von rassistischen, faschistischen und Putschorganisationen anwesen waren, sondern die Massen der Werktätigen, die in sich ihre Wut gegen die kollaborierende Politik der AKP-Regierung, ihre treue Knechtschaft den USA und den EU-Imperialisten gegenüber und islamistische Reaktion aufgestaut hatte.
Diese Kundgebung zielte darauf ab, die Legitimität der voraussichtlichen Kandidatur des Präsidenten durch einen AKP`ler zu vermindern und dafür Maßnahmen zu legitimieren, wie die Memoranden vom 27. April, die verkündet werden, wenn die AKP nicht „brav" sein will.
Die Kundgebung wurde von Eruygur, dem Vorsitzenden der ADD, geleitet, einem US-hörigen Pascha und sich mittlerweile in Rente befindenden General, von dem bekannt geworden ist, dass er unter jenen faschistischen Generälen war, die 2004 Pläne für einen Putsch schmiedeten.
Nach dieser Kundgebung, die von Seiten fortschrittlicher Kräfte als „Kundgebung zur Unterstützung der Putschisten" bezeichnet wird, wurde eine zweite Kundgebung für den 29. April in Istanbul angekündigt, bei der die Teilnehmerzahl noch größer war.
Zwei Tage vor der Kundgebung am 29. April jedoch wurde die oben erwähnte ausgesprochen. Auch wenn diese Kundgebung, die mit dem Slogan „Keine Scharia, keinen Putsch, sondern eine rein demokratische Türkei" organisiert wurde, mit dem Slogan „Hoch lebe Pascha Yasar" begann, hat in Wirklichkeit keine andere Bedeutung als eine Kundgebung zur „Unterstützung des Memorandums". Die Gewerkschaft DISK und viele andere demokratische Massenorganisationen, die die Kundgebung in Ankara „offiziell" nicht unterstützt hatten, nahmen jedoch an jener in Istanbul teil und gaben sich somit selbst noch einmal die unglückliche Rolle, die sie beim Warnung vom 28.Februar gespielt hatten.
Beide Kundgebungen sind die jüngsten Beispiele für die Politik der Organisierung der werktätigen Massen im Rahmen einer rückschrittlichen Polarisation zwischen Kurden und Türken, Laizismus und Islamismus oder Aleviten und Sunniten; des Drängens in die Reihen des Regimes und der Liquidation ihres Potentiales, auf diesem Weg gegen den Faschismus zu kämpfen.

 

 

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In den seit Monaten andauernden Auseinandersetzungen im Cankaya-Palastkrieg hat das Hinauszögern der AKP (Partei für Gerechtigkeit- und Entwicklung) - Regierung um die Aufstellung von Kandidaten zu deutlicher Spannung geführt.
Die türkische Armee, die drei Militärputsche (27.5.1960, 12.März 1972 und am 12.9.1980) und am 28. Februar 1997 einen "postmodernen Putsch" durchgeführte, behauptete schon immer, die einzige Herrin und Verteidigerin der Republik zu sein. Seit die AKP in der Regierung ist, gab es einige Veränderungen in den Kräfteverhältnissen zwischen TÜSIAD und der AKP einerseits und der Armee und den sie unterstützenden Kräften andererseits; erstere hatten in einigen Punkten gegen letztere gewonnen. Die Präsidentschaftswahlen bedeuten aus jeder Sicht die Neuordnung jener Kräfteverhältnisse, die sich zwischen den Kräften des Regimes herausgebildet haben. Die Armee und ihre Unterstützerkräfte bewerteten die Stellung des Präsidenten durch die AKP als eine Gefahr für die herrschende Macht und einen Schritt, der ihre Positionen schwächen und aufgrund des symbolischen Wertes, den der Staatspräsident trägt, die Grundpfeiler des Regimes zerstören könnte. Die Armee, die größte Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) und einige andere Kräfte derselben Linie haben viel Druck ausgeübt dafür, die AKP vom Präsidentschaftsposten fernzuhalten. Das ideologische Schwert der Armee in diesem Machtkampf heißt Laizismus.
Während diese Kräfte einerseits die AKP mit Drohungen unter Druck zu setzen versuchen, haben sie andererseits auch versucht, die Massen, die in sich die Wut gegen die kollaborierende Politik der AKP-Regierung tragen, mit einer Kundgebung am 14. April in Ankara gegen die Regierung aufzuhetzen. Und sie schafften dies, indem sie Hunderttausende auf die Straße brachten.
Am 24. April stellte die AKP dann endlich ihren Kandidaten der Öffentlichkeit vor. Doch in jener Sekunde, in der der Name des Außenministers Abdullah Gül genannt wurde, spitze sich die Diskussion „Werden jetzt Kopftücher in Cankaya einziehen" zu.*
Die Präsidentschaftswahl begann am Nachmittag des 27. April. Weil in der ersten Runde die erforderliche Mehrheit von 367 Stimmen nicht erzielt wurde, wurde die Wahl zur Wahlkrise: Die CHP wiederum, die in diesem Streitkampf von Anfang an der Hauptsprecher der Armee im Parlament gewesen ist, legte Beschwerde beim Verfassungsgericht ein, weil „die Wahlen nur hätten stattfinden können, wenn mindestens 367 Abgeordnete teilgenommen hätten"**. Der Streit um 367 Abgeordnete hatte Wochen zuvor begonnen und die CHP hatte ihre Beschwerde schon Tage zuvor schriftlich fertig gestellt. Dies war der einzige Vorwand von Rechts wegen, die AKP zu hindern, welche ausreichend Stimmen für die Wahl des Präsidenten zur Verfügung hat.
In derselben Nacht veröffentlichte der Generalstab auf seiner homepage ein Memorandum und gab somit seine Haltung bekannt: „Das Problem, das während der Präsidentschaftswahlen in den letzten Tagen hervorgetreten ist, hat sich nun auf die Diskussion um den Laizismus konzentriert. Die türkischen Streitkräfte verfolgen diese Lage mit Sorge. Es darf nicht vergessen werden, dass die türkischen Streitkräfte eine der Seiten in dieser Debatte und die absolute Verteidigerin des Säkularismus sind. Ferner sind die türkischen Streitkräfte gegen diese durchgeführten Debatten und jegliche Kommentare, die negativ ausfallen, und werden ihre Haltung dazu deutlich zeigen, wenn es notwendig wird."
In der Erklärung heißt es weiter: „Die türkischen Streitkräfte wahren ihre unerschütterliche Entschlossenheit, die ihnen für die Wahrung ihrer Eigenschaften per Gesetz zugeschriebenen offenen Aufgaben vollkommen zu erfüllen. Dabei sind die Gebundenheit und ihr Glaube an diese Entschlossenheit unanfechtbar." Dies kommt somit einer direkten Warnung vor einem Militärputsch gleich.
Die AKP-Regierung jedoch setzt ihre trotzige Haltung, die sie nach Veröffentlichung des Memorandums annahm, unverblümt fort. So bewertete sie die Erklärung des Generalstabs als "einen Eingriff in die Rechtsordnung" und erklärte, dass dies „unvereinbar mit dem Prinzip einer demokratischen Gesellschaft" sei.
Die Generäle zielen mit dieser Erklärung darauf ab, die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Gültigkeit der Wahlen am 27. April zu beeinflussen. Falls der erste Wahlgang für ungültig erklärt werden sollte, wird es dann voraussichtlich vorgezogene Neuwahlen Ende Juli-Anfang August geben. Der Generalstab könnte in diesen 2 Monaten versuchen, die AKP zu spalten und isolieren und ihr den Weg zur Wiederwahl in die Regierung zu versperren. Dieser Schritt könnte auch die Verfolgung verschiedener islamistischer Kräfte, die um die AKP herumschwirren, beinhalten. Mit neuen Provokationen könnte die Armee versuchen, die Arbeiterklasse und Massen der Werktätigen im Rahmen der Trennung von Laizismus und der Scharia zu polarisieren. Eine schärfere Vorgehensweise der Armee gegen die AKP ist nach Anbetracht der internationalen Konjunktur nicht sehr wahrscheinlich.
Die AKP ist ein Produkt des Memorandums vom 28. Februar 1997. Damals wurde die Koalition aus der Refah-Partei (Wohlfahrtspartei) und der DYP (Partei des Rechten Weges) aus der Regierung ausgewiesen, die Refah-Partei anschließend gespalten und liquidiert und in den Mittelpunkt trat eine „gemäßigte" islamistische AKP vom „Typ Projekt Größerer Mittlerer Osten" auf. Und nun wird mittels des Memorandums vom 27. April versucht, diese Partei, die ein Produkt des früheren Memorandums gewesen ist, aber mittlerweile über die ihr zugeschriebenen Grenzen „weit hinaustritt", von ihren errungenen Positionen zu entfernen.
Während diese Polarisation der inneren Kräfte des Regimes sich kontinuierlich zuspitzt, häufen sich die Angriffe auf revolutionäre, demokratische und fortschrittliche Kräfte und das kurdische Volk. Besonders stark könnte Druck auf die DTP (Partei der Demokratischen Gesellschaft) ausgeübt werden, um ihr durch vorgezogene Neuwahlen den Weg ins Parlament zu versperren.
Die fortschrittlichen, revolutionären und kommunistischen Kräfte in der Türkei und Nordkurdistan stehen nun vor der Aufgabe, die Linie des vereinigten Kampfes unter der Losung „Nein zu Putschisten" zu stärken.

*Seit dem 28. Februar 1997 ist das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Bereich verboten. Das Kopftuch wurde zum Zeichen für die Polarisierung zwischen Laizismus und der Scharia. Das Tragen des Kopftuches durch die Frau Abdullah Güls und somit der mögliche Einzug des Kopftuches nach Cankaya, das ein symbolischer Ort ist, ließen neue Diskussionen aufflammen. Die Frauen des Präsidenten und der AKP-Minister wurden aufgrund ihrer Kopftücher nie zu Empfängen im Cankaya-Palast eingeladen.
**Der Präsident wird von den Mitgliedern (insgesamt 550) des TBMM ("Große Türkische Nationalversammlung") dem türkischen Parlament, gewählt.
Die Anwesenheit 184 Abgeordneter genügt jedoch, um eine ordentliche Sitzung im Parlament einzuberufen. Während den Präsidentschaftswahlen kam jedoch die Bedingung zutage, dass nicht 184 sondern 367 Abgeordnete, 2/3 der Mehrheit, anwesend sein müssen.

Kundgebung zur Unterstützung der Putschisten

Am 14. April fand am Tandogan-Platz in Ankara eine Kundgebung statt, die sich gegen die voraussichtliche Kandidatur von Tayyip Erdogan richtete. Selten wurde in unserem Land eine solch große Zusammenkunft von Menschen verzeichnet. Neben der ADD (Verein zur Förderung des Gedankentums Atatürks) und die CHP führten auch andere Kreise, die sich als links hervortun, doch für das Schüren von Rassismus und Chauvinismus bekannt sind, und zivil-faschistische Parteien wie die MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) und BBP (Partei der großen Einheit) einen Massenauftritt auf. Die Teilnehmerzahl wird auf über 1 Million geschätzt, wobei nicht die Massen von rassistischen, faschistischen und Putschorganisationen anwesen waren, sondern die Massen der Werktätigen, die in sich ihre Wut gegen die kollaborierende Politik der AKP-Regierung, ihre treue Knechtschaft den USA und den EU-Imperialisten gegenüber und islamistische Reaktion aufgestaut hatte.
Diese Kundgebung zielte darauf ab, die Legitimität der voraussichtlichen Kandidatur des Präsidenten durch einen AKP`ler zu vermindern und dafür Maßnahmen zu legitimieren, wie die Memoranden vom 27. April, die verkündet werden, wenn die AKP nicht „brav" sein will.
Die Kundgebung wurde von Eruygur, dem Vorsitzenden der ADD, geleitet, einem US-hörigen Pascha und sich mittlerweile in Rente befindenden General, von dem bekannt geworden ist, dass er unter jenen faschistischen Generälen war, die 2004 Pläne für einen Putsch schmiedeten.
Nach dieser Kundgebung, die von Seiten fortschrittlicher Kräfte als „Kundgebung zur Unterstützung der Putschisten" bezeichnet wird, wurde eine zweite Kundgebung für den 29. April in Istanbul angekündigt, bei der die Teilnehmerzahl noch größer war.
Zwei Tage vor der Kundgebung am 29. April jedoch wurde die oben erwähnte ausgesprochen. Auch wenn diese Kundgebung, die mit dem Slogan „Keine Scharia, keinen Putsch, sondern eine rein demokratische Türkei" organisiert wurde, mit dem Slogan „Hoch lebe Pascha Yasar" begann, hat in Wirklichkeit keine andere Bedeutung als eine Kundgebung zur „Unterstützung des Memorandums". Die Gewerkschaft DISK und viele andere demokratische Massenorganisationen, die die Kundgebung in Ankara „offiziell" nicht unterstützt hatten, nahmen jedoch an jener in Istanbul teil und gaben sich somit selbst noch einmal die unglückliche Rolle, die sie beim Warnung vom 28.Februar gespielt hatten.
Beide Kundgebungen sind die jüngsten Beispiele für die Politik der Organisierung der werktätigen Massen im Rahmen einer rückschrittlichen Polarisation zwischen Kurden und Türken, Laizismus und Islamismus oder Aleviten und Sunniten; des Drängens in die Reihen des Regimes und der Liquidation ihres Potentiales, auf diesem Weg gegen den Faschismus zu kämpfen.