Die Ablehnung der EU-Verfassung durch Frankreich und die Niederlande führte dazu, dass der EU-Gipfel vom 17. und 18. Juni zu einem Krisengipfel wurde. Der vorgeschobene Grund der Krise waren unterschiedliche Meinungen, die bei den Verhandlungen über die Festsetzung des Finanzrahmens zwischen 2007-2013 hervortraten. Während Groß- britannien nicht geneigt war, auf den Betrag von 5 Milliarden Euro, den es aus dem Haushalt der EU nimmt, zu verzichten, verzichtete Frankreich nicht auf die Subventionen für die Landwirtschaft. Ferner erklärten die Niederlande, dass es seinen Beitrag für den EU-Haushalt nicht erhöhen wird. Die EU sah sich seit ihrer Gründung kontinuierlich mit Problemen solcher Art konfrontiert, und löste ihre Finanzprobleme jedes Mal irgendwie durch Kompromisse. Aber dieses Mal wurde das Finanzproblem, das nach außen als Grund dargestellt wurde, der Anlass der ausgebrochenen Krise. Ist die EU aus der Krise heraus, wenn Großbritannien und Frankreich auf ihre Forderungen verzichten und die Niederlande entsprechend der Forderung der Mitgliedstaaten ihren Beitrag zum EU-Haushalt erhöhen würden? Vielleicht wird es dem Schein nach so sein. Aber der Schein kann die objektive Realität nicht verdecken.
Die Mehrheit der Wähler in Frankreich und den Niederlanden hat nicht nur deswegen Nein zu dieser Verfassung gesagt, weil sie die Verfassung der Monopole ist. Es ist offensichtlich, dass die angewendete neoliberale Politik, die ihren Ausdruck in neoliberalen Angriffen finden; das Außerkraft setzen von demokratischen, ökonomischen und erkämpften sozialen Errungenschaften insgesamt, bei der Ablehnung der Verfassung in diesen Ländern eine entscheidende Rolle gespielt hat. Das Referendum in diesen Ländern war Ausdruck des Misstrauens zu den Regierungen. Um die Lage zu retten und nicht in anderen Ländern mit solchen Situationen konfrontiert zu sein, wurde der Ratifizierungs-prozess in Großbritannien, Spanien, Schweden und Portugal aufs Eis gelegt. Insgesamt wurde der Ratifizierungsprozess dieser Verfassung in EU-Ländern auf die lange Bank geschoben.
Großbritannien hat die EU-Präsidentschaft übernommen und T. Blair, der in seiner Rede, die er anlässlich der Übernahme dieser Aufgabe hielt, betonte, dass die EU Reformen brauche. Nach Blair kann die EU nur einflussreich werden, indem sie für die Zukunft investiert und Projekte ausarbeitet. Eine soziale EU darf nicht auf der Stelle treten und ihre Haushaltsmöglichkeiten nicht leichtsinnig verschwenden sondern in zukünftigen Investitionen verwandeln. Blair konkretisiert nicht die von ihm verlangten Reformen. Aber er bereitet den Boden für die Diskussionen für die Zukunft der EU, indem er sagt, dass die EU Reformen braucht. Tatsächlich gab der Ratifizierungsprozess der Verfassung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich über die EU und über die Verfassung zu äußern. Es ist an der Zeit, dass man auf die Frage "was für ein Europa wollen Sie?", eine konkrete Antwort zu geben. Die existierende Krise entspringt aus den Meinungen über die Zukunft der EU. In diesem Sinne ist die EU in zwei gespalten; Einerseits diejenigen, die wollen, dass die EU eine ökonomische Integration bleibt. Andererseits diejenigen, die wollen, dass die EU sich zu einer politischen Einigung entwickelt.
Großbritannien will, dass die EU als eine ökonomische Integration bestehen bleibt. Richtiger gesagt; es ist für eine zur "Zollunion" verwandelten EU und es genießt in diesem Punkt die volle Unterstützung des amerikanischen Imperialismus. Denn die Interessen der englischen Monopole erfordern dies.
Deutschland und Frankreich sind dafür, dass die EU sich als eine politische und militärische Union entwickelt. Die deutschen und franzosischen Monopole sind sich bewusst, dass sie allein nicht in der Lage sind, um die Welthegemonie zu kämpfen und Ergebnisse bei der Neuteilung der Welt zu erzielen. Um ihre Konkurrenzkraft zu erhöhen, wollen sie die politische Union weiterentwickeln.
Die EU kann ihre aktuelle Finanzkrise lösen. Aber sie kann die im Zusammenhang mit der Verfassung auf die Tagesordnung gekommene und direkt mit der Zukunft der EU in Verbindung stehende Krise; die aus der Frage "was für ein Europa wollen Sie" entspringende Frage, nicht so leicht lösen. Für die Lösung dieser Krise gibt es zwei Wege: Die EU-Länder werden beschließen, dass die EU entweder eine ökonomische Integration bleibt oder sich als eine politische Union entwickelt. Auf jedem Fall wird die Entwicklung der EU von jetzt ab ganz anderes sein als ihre Entwicklung bis jetzt. Denn die EU hat die Grenze ihrer Entwicklung als ökonomische Integration schon erreicht. Die darüber hinaus gehende Entwicklung würde bedeuten, die vorhandenen Grenzen zu überwinden.
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