Krise und Widerstand
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01 August 2009 /Internationales Bulletin / Nummer 84


Die Auswirkungen der weltweiten ökonomischen Krise auf die Türkei und Kurdistan werden trotz aller Beschönigungsversuche seitens der Regierung immer deutlicher. Im ersten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaft der Türkei um 13,8% geschrumpft. Mit diesem zweitgrößten Schrumpfen in der gesamten Geschichte der Türkei landet diese unter den OECD-Ländern auf Platz eins und weltweit auf Platz 3.
Gleichzeitig ist das Haushaltsdefizit in nur 6 Monaten auf 23,2 Milliarden TL angewachsen. Dem versucht die Regierung der AKP entgegenzusteuern, indem sie die Schuldenlast durch Erhöhung der Steuern der Bevölkerung aufhalst. Durch die Erhöhung der Steuer für flüssigen Brennstoff sind die Preise durchschnittlich um 7,8% gestiegen. Außerdem wurde die Mehrwertsteuer wieder auf 18% erhöht, was einen Preisanstieg um 10% bedeutet.
Eine weitere Folge der ökonomischen Krise ist die steigende Arbeitslosigkeit. Laut dem Türkischen Statistikinstitut (TÜIK) stieg die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres um 5% auf 14,9%. Diesen Angaben zufolge sind 3,5 Millionen arbeitslos, wobei die Arbeitslosigkeit in den Städten 17,5% und auf dem Land 9,5% beträgt und 26,5% der Jugend ist ohne Arbeit. Allerdings sind diese offiziellen Angaben immer noch weit weg von der Realität. Das Forschungszentrum der 4+4+4 klink_18','444kelime_18');" onmouseover="xKelime('444klink_18','444kelime_18');" id=444klink_18>DISK veröffentlichte eine Studie, nach der die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen im April dieses Jahres auf 5.837.000 angestiegen ist. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit beträgt also bereits 24,7%. Heute ist in der Türkei jeder 4. Jugendliche arbeitslos. Bereits zu Anfang der Krise, im September 2008, betrug die Arbeitslosenzahl über 3 Millionen.
Die Arbeiter und Werktätigen nehmen diese sich zunehmend verschärfende Situation nicht kampflos hin. Auch wenn die Streiks und Widerstände noch vereinzelt sind, so ist doch eine steigende Aktivität mit radikaler werdenden Kampfformen nicht zu übersehen. Die Metallgewerkschaft Birlesik Metal kämpft seit dem 22. Dezember letzten Jahres in der Fabrik Sinter Metal im Istanbuler Bezitk Ümraniye gegen Entlassungen aufgrund von Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Die Gewerkschaft Tekstil Sen kämpfte erst in den Firmen Selga, Safak, Miteks, Asya und Hiranur und jetzt in der Ag Tekstil um die Rechte der Arbeiter. Die Mitglieder der Gewerkschaft Limter-Is befinden sich in den Unternehmen CHT und Positif Gemi im Widerstand. Die Journalisten befinden sich bereits seit Februar das erste Mal seit dem Militärputsch vom 12. September 1980 im Streik. Die in der Gewerkschaft Genel-Is organisierten Gemeindearbeiter sind am 17. Juli auf die Straße gegangen und haben den Verkehr blockiert, um ihre ausstehenden Löhne einzufordern. 185 Arbeiter haben seit 8 Monaten ihre Löhne nicht ausbezahlt bekommen. Auch die Teeanbauer haben am Schwarzen Meer in mehreren Städten dagegen protestiert, dass die staatseigene Firma Cay-Kur sie nicht für den gelieferten Tee bezahlt hat. Auf einer Demonstration am 14. Juli in Findikli durchbrachen über 100 Demonstranten während den Protesten gegen diese Regierungspolitik der AKP, eine Polizeisperre und forderten, dass nicht die Werktätigen, sondern die Mafiabanden blockiert werden sollten.
Neben zahlreichen weiteren Protestaktionen und Streiks gingen auch die werktätigen Beamten der Gewerkschaften Egitim-Sen und Kesk in Ankara auf die Straße, in Izmir kam es zu einem zweitägigem erfolgreichen Streik im Schienenverkehr, in Adana protestieren die Büroangestellten gegen Versetzungen und die 3000 Mitgliederstarke Gewerkschaft Tez Koop-Is beschloss nach gescheiterten Tarifverhandlungen in Ankara in den Streik zu treten. Neben all diesen Streiks, Protesten und Widerständen kam es sogar, wenn auch vereinzelt, zu Fabrikbesetzungen und Geiselnahmen.
All diese Aktionen der Arbeiter und Werktätigen in verschiedenen Städten zeigen deutlich die Bereitschaft, aktiv Widerstand gegen die Krisenpolitik auf Kosten der Werktätigen zu leisten und nicht hinzunehmen, dass die Last der Krise auf die Arbeiter und Werktätigen abgewälzt wird. Allerdings ist die versöhnlerische Linie der gelben Gewerkschaften, die vor jeder ernsten Auseinandersetzung mit den Kapitalisten zurückschrecken und sich bemühen, die steigende Wut der Arbeiter und Werktätigen in ruhige Bahnen zu lenken, ein ernsthaftes Hindernis für das Erstarken der aufkeimenden Bewegung. Zu Anfang der Krise kündigten zahlreiche gelbe Gewerkschaften umfassende Aktionspläne an, aber es hat sich gezeigt, dass dies nur dazu diente, die angestaute Wut verpuffen zu lassen und den Worten keine Taten folgten. Die Gewerkschaftsbürokratie bemüht sich nach Kräften, die heiße Luft entweichen zu lassen und stimmt einer Forderung der Kapitalisten nach der anderen zu, wie z.B. kürzlich in der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst. Hier wird die wichtige Aufgabe deutlich, der die klassenkämpferischen Gewerkschaften heute gegenüberstehen.
Damit die überall entstehende spontane Bewegung der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen nicht im Sande verläuft sondern zu einer klassenbewussten Bewegung gegen das Regime wird, bedarf es eines entschlossenen Eingreifens der revolutionären Bewegung. Nur, wenn es der kommunistischen Vorhut gelingt, sich in der Arbeiterklasse zu verankern, kann sie die vielfältigen Möglichkeiten die die aktuelle ökonomische Krise bietet nutzen.

 


 

 

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01 August 2009 /Internationales Bulletin / Nummer 84


Die Auswirkungen der weltweiten ökonomischen Krise auf die Türkei und Kurdistan werden trotz aller Beschönigungsversuche seitens der Regierung immer deutlicher. Im ersten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaft der Türkei um 13,8% geschrumpft. Mit diesem zweitgrößten Schrumpfen in der gesamten Geschichte der Türkei landet diese unter den OECD-Ländern auf Platz eins und weltweit auf Platz 3.
Gleichzeitig ist das Haushaltsdefizit in nur 6 Monaten auf 23,2 Milliarden TL angewachsen. Dem versucht die Regierung der AKP entgegenzusteuern, indem sie die Schuldenlast durch Erhöhung der Steuern der Bevölkerung aufhalst. Durch die Erhöhung der Steuer für flüssigen Brennstoff sind die Preise durchschnittlich um 7,8% gestiegen. Außerdem wurde die Mehrwertsteuer wieder auf 18% erhöht, was einen Preisanstieg um 10% bedeutet.
Eine weitere Folge der ökonomischen Krise ist die steigende Arbeitslosigkeit. Laut dem Türkischen Statistikinstitut (TÜIK) stieg die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres um 5% auf 14,9%. Diesen Angaben zufolge sind 3,5 Millionen arbeitslos, wobei die Arbeitslosigkeit in den Städten 17,5% und auf dem Land 9,5% beträgt und 26,5% der Jugend ist ohne Arbeit. Allerdings sind diese offiziellen Angaben immer noch weit weg von der Realität. Das Forschungszentrum der 4+4+4 klink_18','444kelime_18');" onmouseover="xKelime('444klink_18','444kelime_18');" id=444klink_18>DISK veröffentlichte eine Studie, nach der die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen im April dieses Jahres auf 5.837.000 angestiegen ist. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit beträgt also bereits 24,7%. Heute ist in der Türkei jeder 4. Jugendliche arbeitslos. Bereits zu Anfang der Krise, im September 2008, betrug die Arbeitslosenzahl über 3 Millionen.
Die Arbeiter und Werktätigen nehmen diese sich zunehmend verschärfende Situation nicht kampflos hin. Auch wenn die Streiks und Widerstände noch vereinzelt sind, so ist doch eine steigende Aktivität mit radikaler werdenden Kampfformen nicht zu übersehen. Die Metallgewerkschaft Birlesik Metal kämpft seit dem 22. Dezember letzten Jahres in der Fabrik Sinter Metal im Istanbuler Bezitk Ümraniye gegen Entlassungen aufgrund von Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Die Gewerkschaft Tekstil Sen kämpfte erst in den Firmen Selga, Safak, Miteks, Asya und Hiranur und jetzt in der Ag Tekstil um die Rechte der Arbeiter. Die Mitglieder der Gewerkschaft Limter-Is befinden sich in den Unternehmen CHT und Positif Gemi im Widerstand. Die Journalisten befinden sich bereits seit Februar das erste Mal seit dem Militärputsch vom 12. September 1980 im Streik. Die in der Gewerkschaft Genel-Is organisierten Gemeindearbeiter sind am 17. Juli auf die Straße gegangen und haben den Verkehr blockiert, um ihre ausstehenden Löhne einzufordern. 185 Arbeiter haben seit 8 Monaten ihre Löhne nicht ausbezahlt bekommen. Auch die Teeanbauer haben am Schwarzen Meer in mehreren Städten dagegen protestiert, dass die staatseigene Firma Cay-Kur sie nicht für den gelieferten Tee bezahlt hat. Auf einer Demonstration am 14. Juli in Findikli durchbrachen über 100 Demonstranten während den Protesten gegen diese Regierungspolitik der AKP, eine Polizeisperre und forderten, dass nicht die Werktätigen, sondern die Mafiabanden blockiert werden sollten.
Neben zahlreichen weiteren Protestaktionen und Streiks gingen auch die werktätigen Beamten der Gewerkschaften Egitim-Sen und Kesk in Ankara auf die Straße, in Izmir kam es zu einem zweitägigem erfolgreichen Streik im Schienenverkehr, in Adana protestieren die Büroangestellten gegen Versetzungen und die 3000 Mitgliederstarke Gewerkschaft Tez Koop-Is beschloss nach gescheiterten Tarifverhandlungen in Ankara in den Streik zu treten. Neben all diesen Streiks, Protesten und Widerständen kam es sogar, wenn auch vereinzelt, zu Fabrikbesetzungen und Geiselnahmen.
All diese Aktionen der Arbeiter und Werktätigen in verschiedenen Städten zeigen deutlich die Bereitschaft, aktiv Widerstand gegen die Krisenpolitik auf Kosten der Werktätigen zu leisten und nicht hinzunehmen, dass die Last der Krise auf die Arbeiter und Werktätigen abgewälzt wird. Allerdings ist die versöhnlerische Linie der gelben Gewerkschaften, die vor jeder ernsten Auseinandersetzung mit den Kapitalisten zurückschrecken und sich bemühen, die steigende Wut der Arbeiter und Werktätigen in ruhige Bahnen zu lenken, ein ernsthaftes Hindernis für das Erstarken der aufkeimenden Bewegung. Zu Anfang der Krise kündigten zahlreiche gelbe Gewerkschaften umfassende Aktionspläne an, aber es hat sich gezeigt, dass dies nur dazu diente, die angestaute Wut verpuffen zu lassen und den Worten keine Taten folgten. Die Gewerkschaftsbürokratie bemüht sich nach Kräften, die heiße Luft entweichen zu lassen und stimmt einer Forderung der Kapitalisten nach der anderen zu, wie z.B. kürzlich in der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst. Hier wird die wichtige Aufgabe deutlich, der die klassenkämpferischen Gewerkschaften heute gegenüberstehen.
Damit die überall entstehende spontane Bewegung der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen nicht im Sande verläuft sondern zu einer klassenbewussten Bewegung gegen das Regime wird, bedarf es eines entschlossenen Eingreifens der revolutionären Bewegung. Nur, wenn es der kommunistischen Vorhut gelingt, sich in der Arbeiterklasse zu verankern, kann sie die vielfältigen Möglichkeiten die die aktuelle ökonomische Krise bietet nutzen.