Internationales Bulletin / Nummer 92 Die diesjährigen Feierlichkeiten zum kurdischen Neujahrsfest Newroz, stellten einen Höhepunkt der nationalen kurdischen Befreiungsbewegung dar. In ganz Kurdistan sowie der Türkei gingen 4 Millionen auf die Straße und forderten lautstark und entschlossen Freiheit und Frieden. In Amed fand mit weit über einer Million Teilnehmer die bisher größte Newroz-Kundgebung statt. Aber nicht nur in den vier Teilen Kurdistans, sondern auch in der Türkei kam es zu den größten Newroz-Demonstrationen der Geschichte. Allein in Istanbul versammelten sich 400.000 Menschen auf der von der Plattform Für Frieden und eine Demokratische Lösung organisierten Newroz-Kundgebung. Für die so dringend erforderliche Verbindung der nationalen kurdischen Befreiungsbewegung mit den Massen der türkischen Arbeiter und Werktätigen war es von besonderer Bedeutung, dass sich unter den Rednern auf der Newroz-Kundgebung auch ein Vertreter der seit Monaten Widerstand leistenden TEKEL Arbeiter befand. Ein weiteres Zeichen für eine wachsende Sensibilität für die kurdische Frage und den an Kraft gewinnenden Ruf nach einem gerechten Frieden im Westen war die Teilnahme der Plattform Wehrdienstverweigerung für den Frieden, die dazu aufruft, nicht in die Reihen der kolonialistischen türkischen Armee einzutreten und das Blut der Brüder zu vergießen, sondern den Wehrdienst zu verweigern. Diese Beispiele machen deutlich, dass eine Verbrüderung des türkischen und kurdischen Volkes, ein gemeinsamer Kampf der Arbeiter und Werktätigen beider Nationen gegen das kolonialistische faschistische Regime nicht nur nötig, sondern auch möglich sind. Allerdings muss auch gesagt werden, dass die Massen der türkischen Arbeiter und Werktätigen und ihre revolutionären und demokratischen Organisationen ihre Rolle bei der Lösung der kurdischen Frage noch nicht ausreichend spielen. Während Millionen werktätige Kurden für Frieden und eine demokratische Lösung an Newroz auf die Straße gingen, kann von einer Massenmobilisierung der türkischen Werktätigen noch lange nicht die Rede sein. Das liegt zum einem an dem geringen Interessen von Organisationen der Arbeit wie KESK und DISK , aber auch an den engstirnigen Auffassungen der revolutionären Kräfte, die kaum eine eigene, aktive Politik zur kurdischen Frage entwickeln und sich oft auf eine Kritik der kurdischen Befreiungsbewegung von außen beschränken anstatt sich um die Mobilisierung der türkischen Werktätigen zu bemühen. Für eine werktätige Lösung ist jedoch eine massenhafte Mobilisierung in der Türkei unbedingt erforderlich, denn nur wenn die nationale kurdische Befreiungsbewegung und die türkischen Arbeite und Werktätigen einander als Ansprechpartner für das Problem erkennen kann es eine gerechte und demokratische Lösung im Sinne der Werktätigen geben. Um dies zu erreichen, kommt den politischen Vertretern des türkischen Volkes eine wichtige Aufgabe zu, die türkische Arbeiterklasse vom Einfluss des Kemalismus und Chauvinismus zu befreien und für einen gerechten Frieden zu gewinnen. Newroz 2010 kam einem Referendum gleich, bei dem das kurdische Volk seinen politischen Willen kundtat. Einstimmig verkündeten Millionen Kurden, dass die Ansprechpartner für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage Abdullah Öcalan, Kandil und die BDP sind. Newroz hat wieder einmal gezeigt, dass das kolonialistische faschistische türkische Regime und seine AKP -Regierung keine Lösung, keinen Ansprechpartner suchen sondern ihre traditionelle Leugnungs- und Vernichtungspolitik lediglich unter einem anderen Namen fortführen. Aber dieses neue Gesicht der alten Politik, die „kurdische Initiative" ist an Newroz gründlich gescheitert, denn das Rot-gelb-grüne Fahnenmeer überall in der Türkei und in Kurdistan hat bewiesen, dass es unmöglich sein wird, eine Lösung zu finden, ohne den Willen von Millionen mit einzubeziehen. Nur wenige Tage nach den auch in zahlreichen europäischen Ländern mit massenhafter Beteiligung stattfindenden Newroz-Aktionen machte der belgische Staat einen Schritt zurück, indem er am 25. März die nach den gegen Roj TV, KNK und die BDP gerichteten Operationen am 4. März in Brüssel inhaftierten 7 Personen, darunter den Vorsitzenden von Kongra-Gel Remzi Kartal und das Vorstandsmitglied der KCK Zübeyir Aydar, auf freien Fuß setzte. Gleichzeitig wird die Repression des bürgerlichen türkischen Staates gegen die nationale kurdische Befreiungsbewegung allerdings in vollem Maße fortgesetzt. Seit dem 14. April 2009 wurden über 900 kurdische Patrioten hinter Gitter gebracht und für 20 Parlamentsabgeordnete wird eine Gefängnisstrafe von insgesamt 1777 Jahren gefordert. Aber damit nicht genug, mit dem Frühlingsanfang haben auch bereits die Vorbereitungen von umfangreichen militärischen Operationen der türkischen Armee begonnen. Tausende von Soldaten, Einheiten von Spezialteams und schwere Waffen wurden in Kurdistan stationiert und an einigen Orten haben Ende März bereits Operationen begonnen, so auf dem Cudi-Berg bei Sirnak. Besonders auffällig ist, dass die Hinweise auf eine Operation auch in Südkurdistan nach dem Besuch des US-Innenministers in der Türkei zugenommen haben. Die kolonialistische faschistische Diktatur hat mit keinem Wort auf die am 2. Februar 2010 veröffentlichte "Deklaration des Friedens und der demokratischen Lösung" der KCK reagiert, die einzige Antwort ist die Weiterführung des schmutzigen Krieges auf allen Ebenen. Das Regime ist nicht in der Lage, eine Lösung der kurdischen Frage zu finden. Weder das Spekulieren auf die religiösen Gefühle noch die auf Liquidation der kurdischen Befreiungsbewegung herauslaufenden Versuche der AKP-Regierung, die Kurden ins System zu integrieren, bzw. Kurden nach ihren eigenen Vorstellungen zu schaffen, waren erfolgreich. Die Diskussionen um eine Verfassungsänderung zeigt ebenfalls, dass das neue Paket der AKP nichts mit einer Lösung der kurdischen Frage zu tun hat. Dazu der Vorsitzende des Vorstandsrates der KCK Murat Karayilan: „Die Kurden kommen in dem Paket nicht vor. Die Verfassung vom 12. September muss grundlegend geändert werden. Ohne dass die Zehnprozenthürde bei den Wahlen und die Antiterrorgesetzte abgeschafft werden glaubt keiner an die Aufrichtigkeit gegenüber den Kurden. Die Kurden können diese Veränderungen weder gutheißen noch unterstützen. Die Lösung des Problems ist mit einer grundlegenden Verfassungsreform möglich. Als ein elementarer Bestandteil müssen die Kurden auch in der Verfassung ihren Platz haben." Nach den kraftvollen, massenhaften Demonstrationen an Newroz gilt es jetzt, mit dieser Energie einen kraftvollen 1. Mai zu organisieren und dort mehr als je zuvor die gemeinsamen Forderungen der kurdischen und türkischen Arbeiter und Werktätigen ins Zentrum zu stellen.
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