Der diesjährige 1. Mai war, besonders auch unter dem Einfluss der während der ökonomischen Krise einen Aufschwung erlebenden Arbeiterkämpfe, ein großer Erfolg, der die Früchte der jahrelangen harten Auseinandersetzungen um Taksim trug. Internationales Bulletin / Nummer 93
Der 1. Mai 2010 war in der Türkei und Nordkurdistan in vieler Hinsicht ein großer Erfolg und Ausdruck der Stärke der in letzter Zeit zunehmend auflebenden Arbeiterbewegung. Unter den großen Errungenschaften des diesjährigen 1. Mai ist ohne Zweifel als erstes die Rückeroberung des traditionellen 1. Mai Kundgebungsort Taksim in Istanbul zu nennen, der nach dem Massaker vom 1. Mai 1977 nach beharrlichen Kämpfen insbesondere in den letzten 3 Jahren das erste Mal wieder massenhaft in Besitz genommen wurde. Jedoch auch die Tatsache, dass nicht die Gewerkschaftsbonzen und die gelben Gewerkschaften, sondern die Arbeiter der aktuellen, militant und ausdauernd geführten Kämpfe wie des TEKEL-Widerstandes die Kundgebung maßgeblich prägten, ist ein wichtiger Erfolg, der auf einen vielversprechenden Trend innerhalb der an Stärke und Militanz gewinnenden Arbeiterbewegung hinweist. Dieses Jahr haben alle Kräfte in Istanbul gemeinsam demonstriert, und sind so dem Charakter des 1. Mai als Tag der Einheit, des Kampfes und der Solidarität der Arbeiterklasse gerecht geworden, was sich auch in der massenhaften Beteiligung widerspiegelte: 250.000 Menschen strömten in einer wahren Festtagsstimmung auf den Taksim-Platz. Wobei hier die Breite der Teilnehmer aus verschiedensten gesellschaftlichen Schichten und Bewegungen von unorganisierten Werktätigen mit Kinderwagen, Fußballfans und Atomkraftgegner bis hin zu den stark vertretenen revolutionären Organisationen ins Auge stach. Auch die Beteiligung der patriotischen kurdischen Bewegung an der 1.Mai-Kundgebung mit einem Block von über Zehntausend Menschen war im Vergleich zu den letzten Jahren erfreulich zahlreich. Der in den letzten Jahren vorangetriebene Kampf um Taksim ist zu einer offenen Auseinandersetzung zweier Willen geworden, die weit über die Frage der Örtlichkeit hinausgeht. Der Kampf darum, den 1. Mai auf dem Taksim-Platz zu begehen, steht gleichzeitig für das historische Bewusstsein der Arbeiterklasse, der Entschlossenheit, sich die eigene Kampfgeschichte anzueignen und das Bewusstsein, Rechenschaft für die Kontraguerillamassaker und von den Putschisten des 12. September zu fordern, die zum Ziel hatten, sämtliche politischen und gewerkschaftlichen Organisationen zu unterdrücken und aufzulösen. Die faschistische Diktatur hat vorher jahrelang das Feiern des 1. Mais auf der Straße verboten und die Feierlichkeiten in die Veranstaltungssäle der gelben Gewerkschaften verbannt. Nachdem die Arbeiterklasse und die Werktätigen in praktischem legitimem Kampf unter zahlreichen Opfern das Recht errungen haben, den 1. Mai auf der Straße zu feiern versuchte die Diktatur, sie auf isolierten Plätzen einzupferchen und zu befrieden. Aus diesem Grund wurde der Kampf, den 1. Mai in Taksim zu feiern zu einem direkten und starken Ausdruck einer Kampffront des Klassenkampfes, in dem das kapitalistische System mit seiner faschistischen Diktatur auf der einen Seite und die Front der Arbeiter und Werktätigen mit ihren politischen Vertretern auf der andere Seite sich gegenüberstanden. Mit ganz Istanbul lahmlegenden und unter einer riesigen Tränengaswolke verschwinden lassenden Terror, Verboten und Massenfestnahmen hat die Bourgeoisie in den letzten Jahren nichts unversucht gelassen, um die Arbeiter und Werktätigen davon abzuhalten, ihren Kampftag, den 1. Mai auf seinem angestammten Platz zu begehen. Aber die Entschlossenheit der werktätigen Massen, der revolutionären und kommunistischen Organisationen sowie Teilen der Gewerkschaftsbewegung wuchs mit jedem Jahr und forderte nicht nur die Freigabe von Taksim für die Werktätigen, sondern auch Rechenschaft für die Massaker vom 1. Mai 1977, 1989 und 1996. Nachdem es im letzten Jahr nach heftigen Kämpfen einigen Tausenden gelungen war, den Taksim-Platz zu erobern, strömten dieses Jahr Hunderttausende ungehindert auf den Platz und feierten den 1. Mai. Der langjährige Kampf ist entschieden; die Massen der Arbeiter und Werktätigen haben Taksim unwiderruflich zurückerobert und die faschistische Diktatur eine empfindliche Niederlage erlitten. Ohne Zweifel haben das Aufleben der Arbeiterbewegung und insbesondere der seit 138 Tagen andauernde entschlossene Kampf der TEKEL-Arbeiter viel zu diesem Sieg beigetragen. Dieser Kampf, dem es gelungen ist von breiten Schichten Unterstützung zu bekommen, Arbeiter verschiedener Nationalitäten auf der Grundlage ihrer objektiven Klasseninteressen zu vereinen und der sich nicht von der Gewerkschaftsbürokratie verkaufen ließ sondern beharrlich an seinen Forderungen festhielt, hat zahlreichen anderen Arbeitern Mut gemacht und inzwischen viele weitere Kämpfe ausgelöst. Die von dem TEKEL-Widerstand ausgehende Kraft und Entschlossenheit hat nicht nur die Führungen der gelben Gewerkschaften unter Druck gesetzt, sondern auch dem kolonialistischen faschistischen Regime einmal mehr die Macht der Arbeiterklasse vor Augen geführt. Auch am 1. Mai waren die TEKEL-Arbeiter die Vorhut: Eine Gruppe der aus Istanbul, Diyarbakir, Izmir, Malatya, Adiyaman, Tokat, Bursa und Izmit angereisten TEKEL-Arbeiter gelangte dieses Jahr als allererstes auf den Taksim-Platz. Neben Gewerkschaften und zahlreichen sozialen Bewegungen nahmen die revolutionären und sozialistischen Organisationen, darunter, DHF, Partizan, ESP und Halk Cephesi mit gut organisierten farbenfrohen Blöcken von insgesamt über Zehntausend ihren Platz in den Demonstrationszügen zum Taksim-Platz bei der maßgeblich von DISK , KESK und Türk-Is organisierten Veranstaltung ein. In dem Block der ESP, in dem 3000 Leute marschierten von denen die Mehrheit Frauen waren, wurden während der gesamten Demonstration Parolen wie „Der einzige Weg ist die Revolution", Es lebe die Revolution, es lebe der Sozialismus", Parolen für die Brüderlichkeit der Völker in verschiedenen Sprachen sowie den Sieg von Taksim ausdrückende Parolen gerufen. Nachdem die Massen unter lautstarkem Rufen von Parolen in drei langen Zügen auf dem Taksim-Platz eingezogen waren schickte sich der Vorsitzende von Türk-Is, Mustafa Kumlu an, eine Rede zu halten. Der als Arbeiterverräter bekannte Gewerkschaftsbonze wurde jedoch von den Massen ausgepfiffen und ausgebuht und schließlich von den TEKEL-Arbeitern, bei deren Widerstand er seine klassenversöhnlerische Haltung wieder einmal allzu deutlich gemacht hatte, daran gehindert zu sprechen. Mit den Worten „Dies ist die Tribüne der Arbeiter" besetzen TEKEL-Arbeiter die Bühne und rissen dem gelben Gewerkschafter das Mikrofon aus der Hand, der panikartig die Flucht ergriff. Nachdem die Arbeiter die Tribüne besetzt haben hielten sie von dort eine Rede. Mit zahlreichen Parolen und Transparenten thematisierten die Massen unter anderem die Arbeitslosigkeit, die ökonomische Krise, die Armut, Gesetze wie 4/C sowie unsichere und flexible Arbeit. Neben den Sprechchören „Es lebe der 1. Mai" war auch die Forderung nach einem menschenwürdigem Leben sowie Rufe nach der Revolution und dem Sozialismus viel zu hören. Die Aufklärung des Massakers von 1977 stand ebenso im Vordergrund wie Parolen für den Frieden und die Brüderlichkeit. Obwohl in diesem Jahr viele Organisationen nach Istanbul zum Taksim-Platz mobilisiert haben waren auch die Feierlichkeiten in vielen anderen Städten zahlreicher als zuvor. In einigen Städten fanden seit Jahren zum ersten Mal wieder Kundgebungen und Demonstrationen zum 1. Mai statt. In Kurdistan fand die größte Maikundgebung mit über 30.000 Teilnehmern aus Diyarbakır, Urfa, Sirnak, Mardin und Siirt in Batman statt. Die Kräfte unserer Partei haben die Arbeiter und Werktätigen im Vorfeld des 1. Mai mit Wandparolen, Plakaten, Flugblättern, Transparenten und bewaffneten Aktionen zur Teilnahme am 1. Mai aufgerufen. Am 1. Mai entrollten Militante unserer Partei auf dem von den Massen eroberten Taksim-Platz ein Transparent mit der Aufschrift: „Für den Sieg der Revolution, Arbeiter, zur Partei - MLKP". Ein weiteres Transparent mit dem Namen der Partei wurde auf dem Platz aufgehängt. Der diesjährige 1. Mai war, besonders auch unter dem Einfluss der während der ökonomischen Krise einen Aufschwung erlebenden Arbeiterkämpfe, ein großer Erfolg, der die Früchte der jahrelangen harten Auseinandersetzungen um Taksim trug. Dieser Erfolg wird die Klassenbewegung noch mehr ermutigen und selbstbewusster machen. Jetzt ist es an der Zeit, den Sieg von Taksim auf alle Kämpfe der Arbeiter und Werktätigen in der Türkei und Nordkurdistan auszuweiten.
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