In den geopolitischen Konzepten und der Konkurrenz, die um die Neuaufteilung der Welt geführt wird, ist Zypern eines der vorrangigen Aufteilungsgebiete. Die endgültige Neuaufteilung der Insel, die in den imperialistischen Welthegemoniekonzepten stets einen so wichtigen Platz eingenommen hat, ist das ganze 20. Jahrhundert über nicht umgesetzt worden. Aber zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird sie den imperialistischen Wölfen zum Abendschmaus serviert.
Der Staat der türkischen Bourgeoisie hat den nördlichen Teil der Insel 1974 unter dem Vorwand interner Entwicklungen auf der Insel und dem Massaker, das gegen die türkischen Zyprioten verübt wurde, mittels einer militärischen Intervention besetzt. Durch die Besatzung entstand eine de facto Situation, die bis heute andauert; die Insel wurde praktisch in zwei geteilt, in eine griechische Gesellschaft im Süden und eine türkische Gesellschaft im Norden. Somit traten die türkischen und griechischen Gesellschaften mit verschiedenen ökonomi-schen und politischen Voraussetzungen in den Neugestaltungsprozess ein und eine Generation ist unter diesen Bedingungen aufgewachsen.
Der türkische und der griechische bürgerliche Staat und die herrschenden türkischen und griechischen Kräfte vor Ort, die ihr je-weiliger verlängerter Arm auf Zypern sind, haben die Zypernfrage jahrelang immer in ihrer Innen- und Außenpolitik benutzt. Beide Seiten haben Zypern zur "nationalen" Frage erklärt, die nicht aufgegeben werden kann und in der auch keine Zugeständnisse gemacht werden können. Durch die von ihnen angewendete Politik haben der türkische und der griechische bürgerliche Staat und ihre verlängerten Arme auf Zypern nicht einem gemeinsamen Leben, sondern der Trennung und der unterschiedlichen Gestaltung der Gesellschaften den Weg geebnet; sie haben versucht, die Menschen voneinander zu entfremden. Diese Politik, die gegenseitige Feindschaft in den türki-schen und griechischen Gemeinschaften mit sich gebracht hat, dient den Interessen der imperialistischen Kräfte, die miteinander konkurrieren und den chauvinistischen griechischen und türkischen herrschenden Klassen.
Dieses Spiel haben der türkische und der griechische Staat und ihre Handlanger auf Zypern seit Jahrzehnten gespielt. Gleichzeitig gingen die Beziehungen zwischen den beiden Gesellschaften weiter, auch wenn sie zwi-schenzeitlich unterbrochen waren. Die Zypernfrage blieb, auch wenn sie gelegentlich in den Hintergrund getreten ist, stets eine wichtige internationale Angelegenheit.
Die Fäden der einheimischen Figuranten auf der Insel laufen in den Händen der Türkei und Griechenlands zusammen, und sie werden die Leine an dem Pfosten befestigen, der ihnen in dem Moment sicher erscheint. Dieser Pfosten ist entweder die EU oder die USA. Deswegen ist es für die politi-schen "Lords" auf Zypern undenkbar, sich von der Linie der türkischen und griechi-schen Bourgeoisie zu lösen. Der türkischen und der griechischen Bourgeoisie, sprich den "nationalen Akteuren", würden die Ohren von der EU und den USA, den internationalen Akteuren, lang gezogen werden.
Zu der Zeit der Existenz der Sowjetunion (SU) zog der US-Imperialismus bei seinem Vorgehen bezüglich der Zypernfrage den Sowjetfaktor mit in Betracht und zog der türkischen Bourgeoisie hauptsächlich aufgrund der Drohung einer Annährung an die SU seitens der griechischen Seite die Ohren lang. Das Ziel des US-Imperialismus bestand darin, die SU von der Zypernfrage fern zu halten. Später, in den Jahren 1989/1991, brach der revisionistische Block zusammen und die SU löste sich auf. Seit dem Beginn der 90er Jahre ist nun die EU in der Zypernfrage aktiv.
Von 1974 bis 1990 gab es zwei internationale Hauptakteure, die versucht haben, die Zypernfrage gemäß ihren Interessen zu lösen oder nicht zu lösen: die USA und die SU. Und seit 1990 gibt es ebenfalls zwei internationale Hauptakteure, die versuchen, die gleiche Frage entsprechend ihren Interessen zu lösen oder nicht zu lösen: die USA und die EU. In beiden Phasen ist die UNO als eine Kraft zur Überwachung der US-Interessen aktiv gewesen.
Die beiden Konkurrenzzentren haben geradezu miteinander gewetteifert, um die Zypernfrage ihren eigenen Interessen entsprechend zu lösen. Bis heute hat dieser Wetteifer noch zu keinem anderem Ergebnis geführt als die Zypernfrage zur Ungelöstheit zu verurteilen.
Auf der Versammlung des EU-Minister-rates vom 17. September 1990 wurde die Frage der Mitgliedschaft der griechischen Seite Zyperns behandelt, als ob nichts dabei wäre, als ob es kein Problem zwischen den beiden Gesellschaften auf der Insel geben würde, dass seit Jahren andauert, und so hat die EU zum ersten Mal gezeigt, dass sie sich in Übereinstimmung mit ihren eigenen Interessen hartnäckig in die Zypernfrage einmischen wird. Von diesem Datum an wurde die Geschichte der Verhandlungen über die Zypernfrage zu der Geschichte der Konkur-renz der EU und der USA in der Mittelmeerregion.
In dem Bericht vom 15. Juli 1997 mit dem Titel "Agenda 2000", verlieh die EU Zypern den Mitgliedskandidatenstatus, und auf dem Luxemburg-Gipfel vom Dezember 1997 wurde es dem Erweiterungsprozess beigefügt. Somit war Zypern an den Verhandlun-gen über die volle Mitgliedschaft beteiligt, die am 31. März 1998 begonnen. Die Entschei-dung, "die Türkei für die Mitgliedschaft vorzubereiten" wurde auf dem gleichen Treffen getroffen.
Zu der Zeit, als dieser EU-Bericht verkündet wurde, war in der Türkei eine neue Koalitionsregierung, bestehend aus ANAP (Vaterlandspartei), DSP (Demokratische Linkspartei) und DYP (Partei des Richtigen Weges) an der Macht, die ihre Stimmen dem türkischen Chauvinismus zu verdanken hatte. Diese Regierung betonte, über die bekannten rhetorischen Unterstützungser- klärungen hinausgehend, die strategische Bedeutung Zyperns und erklärte somit, dass Zypern für die Türkei unverzichtbar sei.
Als Vergeltungsmaßnahme gegenüber der von der EU getroffenen Entscheidung beschloss die neue Regierung, den Prozess der Vereinigung mit der Türkischen Republik Nordzypern zu beginnen. Aber aufgrund starker internationaler Reaktionen begann man, den Begriff "Vereinigen" mit dem Begriff "besondere Beziehungen" zu ersetzten.
Am 10. Dezember 1999 fand der Helsinki-Gipfel der EU statt. Nach "dramatischen" Helsinki-Ankara Verhandlungen um Mitter-nacht bekam die Türkei auf diesem Treffen den Status des Mitgliedskandidaten der EU. Auf dem gleichen Gipfel wurde ebenfalls bekannt gegeben, dass die Entscheidung über die Mitgliedschaft von Zypern in der EU im Jahre 2002 gefällt werden würde. Tatsächlich wurde auch auf dem Kopenhagener Gipfel (12.-13. Dezember 2002) verkündet, dass Zypern am 1. Mai 2004, zusammen mit 9 weiteren Beitrittskandidaten, zum vollen EU-Mitglied gemacht werden würde.
Seitdem die EU-Mitgliedschaft der Türkei auf die Tagesordnung gekommen ist, hat sich die Situation geändert; seit die Türkei in Helsinki als Beitrittskandidat anerkannt wurde und seit dem 3. Oktober 2005. Obwohl am 3. Oktober 2005 beschlossen wurde, die Beitrittsverhandlungen zu beginnen, hat die EU es nicht eilig, die Türkei aufzunehmen. Obwohl die Anerkennung Zyperns durch die Türkei während des Treffens, wo der Beginn der Beitrittsverhandlungen beschlossen wurde, nicht zu einem Problem geworden ist, so wäre es allzu gutgläubig zu denken, dass es so bleiben wird wie es ist und die Frage im Verlauf der Verhandlungen über die volle Mitgliedschaft nicht auf die Tagesordnung kommen wird. Auch aufgrund der Zypernfrage werden die Verhandlungen zäh sein. Das bedeutet, dass das Ende dieses Prozesses noch offen ist. Aber es ist ebenfalls vollkommen klar, dass die türkische Bourgeoisie mit der Unterstützung der USA versuchen wird, möglichst viel aus den Verhandlungen herauszuholen. Deswegen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die türkische Bourgeoisie ohne weiteres vom "Besitzanspruch" auf die Insel absehen wird. In Anbetracht dieser Möglichkeit wird wieder versucht, den Annan-Plan auf die Tagesordnung zu bringen und durchzusetzen. Dieser Plan führte dazu, dass die Karten in Zypern neu gemischt, neue Rechnungen aufgestellt und eine neue Politik entwickelt wurden.
Der Annan-Plan ist ein imperialistischer Lösungsplan. Dieser Plan berücksichtigt nicht die Interessen der Völker, die auf der Insel leben, er wurde in Übereinstimmung mit den Interessen der imperialistischen Kräfte und der mit ihnen kollaborierenden Regierungen ausgearbeitet und sieht eine föderative Struktur der Insel vor, die sich auf deren Interessen gründet. Der Annan-Plan ist eine imperialistische Lösung, der Ausdruck eines Kompromisses zwischen den USA und der EU ist.
Der Plan wurde in Anbetracht der Interessen der USA und der EU erarbeitet und, gestützt darauf, der Türkei und Griechenlands. Der Plan berücksichtigt die Rivalität zwischen den USA und der EU um die Insel und die Region; das Kräfteverhältnis zwischen ihnen und die Forderungen der Garantiemächte, die die Insel geteilt haben, miteinbegriffen. Der Plan rührt nicht an die britischen Militärstützpunkte, legitimiert den "Besitzanspruch" der Türkei und Griechen-lands auf die Insel, garantiert der EU, über Südzypern und Griechenland, und der USA über Nordzypern und die Türkei Einfluss zu erlangen. Dies ist einer der Gründe, warum die USA nach dem Referendum von der Unterstützung für die "Entwicklung des Nordens" sprechen. Das bedeutet, dass der US-Imperialismus angesichts der EU-Mitgliedschaft Zyperns im Rahmen des Annan-Plans nicht sehr viel von seinem Einfluss auf die Insel verliert; der US-Imperialismus wird in der Lage sein, ge-bieterisch zu sprechen, indem er die briti-schen Militärstützpunkte auf der Insel nutzt und von den weiterhin bestehenden Rechten der Garantiemacht Türkei profitiert; und gleichzeitig wird er die Möglichkeit haben, seine imperialistische Politik auf der Insel und in der Region auch über die Länder umzusetzen, die sich trotz ihrer EU-Mitgliedschaft in der internationalen Politik auf die Seite der USA stellen.
Am 24. April 2004 wurde ein Referendum über den Plan abgehalten. Die Ergebnisse waren höchst interessant:
Während die Seite der türkischen Zypri-oten mit 64,9% "ja" zum Annan-Plan sagte, lehnte die Seite der griechischen Zyprioten ihn mit 75,8% der Stimmen ab. Die Wahlbeteiligung von 84.35% im Norden und 96.53% im Süden ist ein Zeichen des Interesses der Menschen an dem Referen-dum. Es ist klar, dass die Völker auf beiden Seiten Interesse und eine Orientierung für die Umsetzung einer gewissen Lösung anstelle der Ungelöstheit gezeigt haben. Aber das Ergebnis, oder die angestrebte Lösung waren recht anders als von den Hegemonialkräften erwartet.
Was wollten die Parteien, was haben sie erwartet und was konnten sie erreichen?
Griechenland hat seine Annektierungs-politik der Insel nach der Strategie des EU-Beitrittes von Zypern und des Außen vor Bleiben der Türkei aufgebaut. Diese Politik Griechenlands wurde auch unterstützt, weil ein Beitritt der gesamten, nicht in zwei Teile geteilten Insel, wodurch sie außerhalb des amerikanischen Einfluss bliebe, den Interes-sen der wichtigsten imperialistischen Länder der EU wie Deutschland und Frankreich dienen würde.
Eine Folge der türkischen Militärinterven-tion in Zypern vom Jahre 1974 und der Besatzung der nördlichen Hälfte der Insel war der schwere Schlag, den dies für die Enosis-Strategie (Annexion Zyperns) dar-stellte und der Verzicht Griechenlands auf diese Strategie. Nach einer gewissen Zeit der Unklarheit, die entstand, weil kein Krieg mit der Türkei riskiert wurde, bezeichnete Griechenland, im Zuge der Mitgliedschaft in der EU, seine eigene Strategie als die Strategie der EU und so wurde die Zypernstrategie von Griechenland und der EU zu einer gemeinsamen. Wie K. Simitis, der damalige griechische Premierminister, sagte: "Die Garantiemacht auf der Insel ist nicht notwendig". Also bedeutet die EU-Dominanz über Zypern eine "friedliche" Umsetzung der Enosis-Strategie. Von diesem Tag an stellt Griechenland die EU in den Vordergrund, um seine Zypernstrategie zu realisieren.
Auf diese Weise wollte Griechenland sich, unter dem Schutzmantel der EU, Zypern als Ganzes einverleiben. Aber die Ergebnisse des Referendums haben gezeigt, dass es diesen seinen Plan nicht so ohne weiteres umsetzen kann.
Im Gegensatz zu dem Plan Griechenlands, die ganze Insel zu annektieren, hat die Türkei versucht, ihrem "Taksim"- (Teilung) Plan gleich von Beginn an Gültigkeit zu verschaffen. Trotz einiger Meinungsverschieden- heiten von Zeit zu Zeit wurde diese Politik der türkischen Bourgeoisie stets von den USA unterstützt. Denn für den US-Imperialismus ist es wichtig zu verhindern, dass die EU sich das ganze Zypern schnappt.
Die Durchführung und die Resultate des vom Annan-Plan vorgesehenen Referendums haben gezeigt, dass die Türkei auf der Grundlage ihrer Taksim (Teilungs-) Politik, einige diplomatische Erfolge zu verbuchen hat und sich in diplomatischer Hinsicht einige Möglichkeiten schaffen konnte; die andauernden und noch schärfer vorgetragene Wiederholung der Auffassung der Türkei, dass der türkische Teil Zyperns als eigener Staat anerkannt werden muss; des weiteren deuten die Erklärungen der USA und der EU über die Aufhebung des Embargos gegen den türkischen Teil und die Eröffnung von Vertretungen auf den weiteren Verlauf des Prozesses hin.
Hauptsächlich als Reaktion auf die chauvinistische Haltung des bürgerlichen türkischen Staates und die Ansiedlung der türkischen Bevölkerung auf der Insel hat die Mehrheit des Volkes in dem türkischen Nordteil ihr Verlangen nach einem ver-einigtem Zypern und die Orientierung auf einen EU-Beitritt als vereinigtes Zypern zum Ausdruck gebracht. Dies stellt, objektiv be-trachtet, eine Ablehnung, eine Antwort auf die Ungelöstheit oder den Status quo dar. Wie die Sozialistische Partei Zyperns erklärte (ZK der Sozialistischen Partei Zyperns, März 2004) "wird das Referendum nicht nur ein ja oder nein zum Annan-Plan sein. Die Position des `ja zum Referendum und ja im Referendum', wobei der Prozess durch die überwältigende Mehrheit des Volkswillens an Bedeutung gewinnt, bedeutet in der Tat `nein zum Status quo, nein zum Regime, das versucht, den Status quo aufrecht zu erhalten'." Auch die griechischen Zyprioten im Süden der Insel haben ebenfalls infolge der chauvinistischen Tendenzen nicht die erwartete Antwort gegeben. Somit ist ein Ergebnis des Referendums, dass der türkische Teil Zyperns, objektiv gesehen, seine Opposition zu der chauvinistischen Politik über ein vereinigtes Zypern und das Verständnis der Taksim (Teilung) zum Ausdruck gebracht hat, während der griechische Teil Zyperns keinen Einspruch gegen den Status quo vorbrachte.
Die griechische Seite lehnte den Annan-Plan ab. Aber das Referendum wurde zu einer Stunde Null in der Politik und den Plänen über Zypern; auch wenn nur ein Jahr vergangen ist; es hat sich herausgestellt, dass die Zeit nach dem Referendum nicht mehr die gleiche sein wird wie davor. Es besteht kein Zweifel darüber, dass beide Seiten ihre Haltung nicht geändert haben, aber es gibt keine Möglichkeiten mehr für sie, ihre unveränderten Standpunkte mittels der alten Politik umzusetzen. Das Referendum hat eine materielle Grundlage für die neue Politik geschaffen.
Kurz gesagt, der US-Imperialismus und die EU haben die Zukunft der Völker in Zypern verpfändet und waren gezwungen, einen Kompromiss einzugehen, um die Insel ihren imperialistischen Interessen entspre-chend nutzen zu können. Der Annan-Plan brachte diesen Kompromiss zum Ausdruck. Die Völker von Zypern wurden gezwungen, entweder "ja" oder "nein" zu dieser imperia-listischen Aufdringlichkeit zu sagen. Dieser imperialistische Plan umfasste nicht, wie die zypriotischen Völker sich vereinen wollen, sie ihr Selbstbestimmungsrecht nutzen und ein vereinigtes Zypern gründen können. Ganz im Gegenteil, der Plan schuf ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des US-Imperialismus und den EU-Imperialisten und sah die Akzeptanz dieser Interessen durch die Völker von Zypern vor. In diesem Sinne blieb der imperialistische "Friedens-eifer" im Rahmen des Annan-Plans ohne irgendwelche Ergebnisse. Aber die neue Situation des "nein" auf der griechischen Seite und des "ja" auf der türkischen Seite deutet darauf hin, dass die Konkurrenz um Zypern unter den neuen Bedingungen weitergehen wird.
Was macht Zypern so wichtig und welche Rolle spielt Zypern bei den interimperialistischen Widersprüchen?
Zu jeder Zeit in der Geschichte war Zypern aufgrund seiner strategischen Lage von Bedeutung. Die Stürme, die dann und wann über Zypern hereinbrachen, entstanden aufgrund seiner strategischen Lage. Die Geschichte der letzten Jahrzehnte; die Ungelöstheit, die im Namen einer Lösung produziert wird oder die aufgezwungene imperialistische Lösung zeigen, dass versucht wird, die Insel gemäß den imperialisti-schen Interessen der Hegemonialmächte zu formen. Bei der angeblichen Lösung des Problems heute, oder genauer gesagt, der Ungelöstheit bis einige Kompromisse erreicht werden, geht der Spielball von der UNO, unter dem Patronat des US-Imperialismus, zur EU und von der EU wieder zurück zur UNO. Und bei jedem Ballwechsel versuchen Griechenland und die Türkei, die auch auf der Insel zu Wort kommen wollen, ihre "Annektions-" und "Teilungs-" Politik den aktuellen Bedingungen entsprechend an den Mann zu bringen.
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Parteien:
Das Kräfteverhältnis änderte sich nach der Auflösung des revisionistischen Blocks und wir sehen, dass es zwei imperialistische Lager gibt, die auf Zypern konkurrieren. Eines dieser Lager wird von den USA und Großbritannien angeführt, die Türkei und der türkische Teil Zyperns befinden sich ebenfalls auf dieser Seite. Das zweite Lager bildet die EU. Dieses Lager wird vom Duo Deutschland-Frankreich angeführt, die die Hegemonialmächte innerhalb der EU sind, außerdem befinden sich noch Griechenland und der griechische Teil Zyperns in diesem Lager. Diese Polarisierung hat auch Auswir-kungen auf die Völker von Zypern gezeigt und so sind die Völker von Zypern in eine türkische und eine griechische Gesellschaft gespalten.
Der US-Imperialismus, der auch die historischen, politischen und strategischen Errungenschaften des britischen Imperialis-mus auf der Insel auf seine Seite gezogen hat, ist heute der Hauptakteur, der die Zukunft der Insel gestaltet. Da er erkannt hat, dass er alleine Zypern nicht in seinen Besitz bringen kann, führt er den Kampf mit der EU um die Neuaufteilung der Insel, gestützt auf sein Bündnis mit Großbritannien und der Türkei. Somit wird Zypern indirekt zu einem Protektorat der USA und direkt von der EU. Von dem Einfluss der Türkei und Griechen-lands auf Zypern kann nur im Rahmen dieser Protektorate gesprochen werden.
Die strategische Bedeutung Zyperns für den US-Imperialismus kann nur mit all ihren Aspekten verstanden werden, wenn man die Angelegenheit vom Standpunkt der Geopoli-tik des US-Imperialismus für die Welthege-monie aus betrachtet:
- Zypern befindet sich im südwestlichen Brückenpfeiler der eurasischen Geopolitik der USA.
- Zypern ist wichtig für die Kontrolle der Mittelmeerregion.
- Zypern nimmt einen sehr entscheidenden Platz in dem "Projekt Größerer Mittlerer Osten" der USA ein.
- Zypern ist wichtig für die Sicherheit Israels, dem US-Gendarmen im Mittleren Osten.
- Zypern ist wichtig für die Kontrolle der Transportroute des Öls aus dem Mittleren Osten (Irak) und dem Kaspischen Becken auf die Weltmärkte und den Verschiffungsknoten (Ceyhan, Golf von Iskendurun).
Während es Dutzende von dringenden Problemen auf der Welt gibt, kann man das Interesse an der Zypernfrage seitens der imperialistischen Konkurrenzzentren wie der USA und der EU in diesem Maße nicht mit ihrer Friedensliebe erklären. Dieses Interesse kann ebenfalls nicht mit Zyperns Reichtum an Bodeschätzen erklärt werden, denn derartige Reichtümer besitzt Zypern nicht. Das, was Zypern so wichtig macht, ist die bedeutende Rolle, die es bei der geopolitischen Orientierung der imperialistischen Mächte spielen könnte, die die Welt neu unter sich aufteilen wollen; es geht hier um die strategische Lage der Insel Zypern. Aufgrund dieser Eigenschaft ist die Insel stets von Bedeutung gewesen.
Insbesondere seit dem Zusammenbruch des revisionistischen Blocks betrachtet die türkische Bourgeoisie Zypern nicht mehr länger nur als "nationales" Problem. Es be- trachtet Zypern auch von einem strategischen Standpunkt aus und betont laufend die Bedeutung der Insel für die regionalen Interessen und die Sicherheit der Türkei. Die türkische Bourgeoise denkt geopolitisch.
Die türkische Bourgeoisie rechnet damit, dass das Öl und Erdgas in nicht fern liegenden Jahren aus dem Kaukasus, Zentralasien und dem Kaspischen Becken über Pipelines in den Golf von Iskendurun (Ceyhan) kommen und von dort auf die Weltmärkte verteilt werden wird. Die Baku-Ceyhan-Pipeline wurde in Betrieb genommen und das irakische Öl fließt dort immer noch. Zypern hat eine unverzichtbare Position für die Kontrolle dieser strategisch wichtigen Region. In seiner Erklärung vom 6. April 1998 sagte Ismail Cem, der damalige Außen- minister: "Das östliche Mittelmeer wird in den Jahren 2005-2010 die strategisch wichtigste Region sein, deswegen werden wir um der nationalen Sicherheitsinteressen und der nationalen Interessen der Türkei willen Stützpunkte wie Zypern auf keinen Fall aufgeben, welches die Region kontrolliert" und verkündete der Welt, dass sie bereit seien, den Preis dafür in Kauf zu nehmen. Zypern ist aufgrund dieser seiner Besonderheit für den türkischen bürgerlichen Staat wichtig.
Wenn die Hegemonieträume des türkischen faschistischen Regimes, das versucht, eine regionale Macht zu sein, "von der Adria bis zur chinesischen Mauer" für die "Groß-Türkei" im Bund mit den zentralasiatischen Turkrepubliken ins Wasser fallen; wenn es keinen Zugang zu dem Öl von Mossul und Kerkük bekommt, so wird es mit Sicherheit nicht auch noch Zypern aus der Hand lassen ohne irgendwelche Zugeständ-nisse zu bekommen, um seine strategische Bedeutung zu exportieren.
Dies ist die grundlegende Auffassung der türkischen Bourgeoisie; es ist eine Heran-gehensweise, die zur Staatspolitik geworden ist. Wir wissen natürlich auch, wie diese Staatspolitik der Türkei, die ein neokolonialer Lakai der Imperialisten ist und die "roten Linien", die als Kriegsgrund bezeichnet wurden, angesichts der wechselnden Kräftever-hältnisse verschwimmen und verschwinden. Es wäre nicht überraschend, wenn die Türkei in Zukunft, im Austausch mit einigen Zugeständnissen während der Phase der Beitrittsverhandlungen mit der EU, auf ihre Zypernpolitik verzichtet.
Es scheint, dass die EU in der Konkurrenz mit den USA um Zypern und die Mittelmeerregion beim Thema der Hege-monie über das ganze Zypern entschlossen ist. Die alleinige Ursache dieser Entschlos-senheit ist die geopolitische Bedeutung der Insel. Die EU ist nicht dazu in der Lage, eine Geopolitik zu entwickeln, die Ausdruck eines "nationalen" Willens, einer politischen Gesamtheit ist, da sie keine politische Integration ist, da sie nicht in der Lage ist, einen "nationalen" Willen zu entwickeln und weil sie weiterhin dadurch besteht, dass sie die Konkurrenz zwischen den imperialisti-schen Ländern der EU ausbalanciert. Deswegen können wir bezüglich des Engagements der EU bezüglich Zyperns nur von einem "nur scheinbar geopolitischen Engagement" sprechen. Über die Beherr-schung Zyperns plant die EU ebenfalls eine Macht im Mittleren Osten zu sein.
Das Interesse der EU, diese Insel mit so vielen Problemen zum Mitglied zu machen, ist nicht anders zu erklären. Denn abgesehen von seiner strategischen Lage gibt es nichts, was Zypern zur EU beitragen würde. Aus diesem Grund ist Zypern ein Dolch, den die EU plant, in das "Projekt Größerer Mittlerer Osten" der USA zu stoßen.
Für das Duo (Deutschland-Frankreich), das innerhalb der EU eine beherrschende Stellung einnimmt, stellt die Lage Zyperns eine unverzichtbare Grundlage dar, um den Mittleren Osten zu erreichen. Nach einem Beitritt der Insel zur EU verschieben sich die Grenzen der EU von Kreta aus um 500 km nach Osten und somit wird die EU in der Lage sein, das gesamte Mittelmeer zu kontrollieren. Eine derartige Expansion läuft den Interessen des US-Imperialismus zuwider. Aus all diesen Gründen kann weder der US-Imperialismus noch die EU komplett auf Zypern verzichten.
An die Stelle des Hegemoniekampfes, der in naher Vergangenheit zwischen dem US-Imperialismus und dem sowjetischen Sozialimperialismus um das Mittelmeer und die angrenzenden Gebiete geführt wurde, ist heute die Konkurrenz zwischen den Konkurrenzzentren wie den USA und der EU getreten. Im Anbetracht der Relativität und demnach der Veränderbarkeit der Kräftever-hältnisse zwischen den Konkurrenzzentren gibt es einige Möglichkeiten imperialistischer Lösungen der Zypernfrage:
- Die Kräfteverhältnisse zwischen den imperialistischen Ländern in Bezug auf Zypern werden sich nicht in bedeutendem Maße ändern und die Ungelöstheit auf Zypern wird die Lösung sein, so wie es heute der Fall ist.
- Der US-Imperialismus wird der EU gegenüber eine Niederlage in der Region hinnehmen und die türkische Bourgeoisie wird sich auf die Seite der EU stellen. In dieser Situation würde der US-Imperialismus seinen Einfluss in der Region, zumindest auf die Türkei und indirekt den türkischen Teil Zyperns, einbüßen. Aber die Wahrscheinlich-keit, dass diese Möglichkeit eintritt, ist sehr gering.
- Der Widerspruch zwischen dem US-Imperialismus und der EU verschärft sich und die EU wird einen Schritt zurück tun und Zypern aufgeben. Wenn man die EU-Mitgliedschaft des griechischen Teils Zyperns mit in Betracht zieht, so ist das Eintreten dieser Möglichkeit heute recht unwahr-scheinlich. Aber diese Situation stellt eine Möglichkeit dar, die eintreten könnte, wenn die Widersprüche zwischen den USA und der EU die Dimension eines imperialistischen Krieges erreichen.
- Falls die Verhandlungen scheitern, wäre die faktische Teilung Zyperns juristisch bestätigt. In diesem Falle würden die USA und die EU sich die Insel als Einflusssphäre teilen. Diese Möglichkeit kann jederzeit sowohl von den USA als auch von der EU umgesetzt werden.
- Während den Beitrittsverhandlungen zur EU wird die Türkei mit der Bedingung konfrontiert, Südzypern als Gesamtzypern anzuerkennen - es gibt gewisse Indizien, die auf diese Entwicklung hinweisen. In dieser Situation stände die türkische Bourgeoisie vor zwei Alternativen: a) Indem sie dem Drängen der EU nachgibt, würde sie zugunsten der Interessen der EU auf die strategi-sche Bedeutung, die Zypern für die Türkei hat und den "nationalen" Charakter der Angelegenheit verzichten. Dies würde zei-gen, dass die Türkei sich von den USA ent-fernt und beginnt, nach den Interessen der EU zu handeln. Gewisse Teile der türkischen Bourgeoisie mögen predigen, dass ein Verzicht auf Zypern, um der EU beizutreten, der richtigste Schritt im Sinne der nationalen Interessen der Türkei wäre. Die Organisation der türkischen Bourgeoisie, TÜSIAD (Verband Türkischer Industrieller und Geschäftsleute), vertritt z.B. diese Auffassung. Infolge des Status der Türkei als EU-Beitrittskandidat hat TÜSIAD die offizielle Position zu Zypern aufgegeben und eine Haltung gemäß einer Lösung, die der Politik der EU entspricht, eingenommen, da er davon ausgeht, dass die EU in dem kapita-listischen Weltsystem an strategischer Bedeutung gewinnt. TÜSIAD betrachtet Zypern als ein Hindernis im Prozess der EU-Mitgliedschaft. b) Angesichts des Drängens auf die Anerkennung Zyperns während der Beitrittsverhandlungen legt die Türkei ihre Meinung in scharfen Tönen dar: Sie erklärt, dass es als Beitrittskandidat zurücktritt und die Teilung Zyperns wäre eine Tatsache. Die Armee und die bürgerlichen Kreise, die ihren Standpunkt teilen, werden nicht ohne weiteres auf Zypern verzichten: Wie wir oben beschrieben haben, werden sie hauptsächlich aus zwei Gründen nicht verzichten: 1.) Weil es eine "nationale" Angelegenheit ist. 2.) Aufgrund der strategischen Bedeutung Zyperns für die geopolitisch denkende Bourgeoisie.
Der faschistische Geopolitiker Muzzaffer Ozbag, der Zypern als einen geographischen Bestandteil der Türkei betrachtet, erklärt in folgenden Worten die geostrategische Bedeutung der Türkei und somit Zyperns:
"Die Geographie der Türkei -die die asiatische Halbinsel, Thrakien, die türkischen Schluchten und die Insel Zypern, die ägäi-schen Inseln, die die Ausdehnungen Anatoliens sind, umfasst- hat von der Entstehung einer interstaatlichen Gesellschaft und internationalen Beziehungen an bis zum heutigen Tag ihren Charakter als einer der berühmtesten und sogar der wichtigste Brennpunkt der Welt in den geopolitischen und geostrategischen Plänen behalten.
Die geopolitische Bedeutung der Türkei ist deshalb konstant, weil sie die Besonderheit aufweist, eine Brücke zu sein, ein Tor und Riegel für die Bewegungen und Ein- und Ausgänge von Ost-West, Nord-Süd und durch ihre zentrale Position an den Binnenmeeren in den Scheitelpunktregionen dieser Kontinente und in (') (diesem) großen Erdblock, der von Asien, Europa und Afrika gebildet wird und der von den Geschichtsschreibern als "die alte Welt" und von den Geopolitikern als die "Weltinsel" bezeichnet wird. Die Möglichkeit, die Gesetze der Natur zu beherrschen und zu kontrollieren, der interkontinentale Trans-port und die militärische, politische und Handelsaktivität zwingen jede Macht -die, Interessen auf regionaler, kontinentaler und universaler Ebene hat oder eine Politik der Überlegenheit verfolgt- an der Türkei interessiert zu sein.
Es ist vollkommen klar, dass ein Zypern auf der Grundlage der Bildung zwei ge- trennter Staaten von zwei Völkern -deren Zusammenleben heute unmöglich geworden ist- eine ernsthafte Gefahr für die Türkei und den Frieden darstellen würde, in den Händen einer Macht, die in der Region Fremde und feindlich ist und eines Staates, der den imperialistischen Bossen dienen würde." ("Die entscheidende Bedeutung der Türkischen Republik Nordzyperns für die Sicherheit der Türkei" aus der Sammlung "Über die Geo-politik der Türkei und der türkischen Welt", ASAM Publikation, 22, Ankara, 2001, Seite 365-370-371).
General Hilmi Özkök sagte, als er die Haltung des Generalstabs der Armee zur Zypernfrage darlegte: "Der Prozess des Einsperrens der Türken in Anatolien ist durch die Lösung der Zypernfrage, die die Sicherheit der Türkei bedroht und ihre Sicherheitsbedürfnisse nicht garantiert, fast abgeschlossen." Es besteht kein Unterschied zwischen dieser Auffassung und der, die von ASAM bezüglich der strategischen Bedeu-tung Zyperns formuliert wird.
Dieser Standpunkt ist auch der der Armee und der Bourgeoise.
Der Annan-Plan wurde nicht angenommen, aber die Diskussionen über die Ergebnisse des Referendums und verschiedene Entwicklungen zeigen, dass die Zypernfrage in eine neue Phase eingetreten ist. Nach dem Referendum haben die USA und die EU ihr Versprechen der "Unterstüt-zung", das sie dem türkischen Teil Zyperns gegeben hatten, nicht eingehalten; die Anstrengungen der Türkei für die Anerken-nung Nordzyperns als "unabhängiger" Staat und schließlich der Druck auf die Türkei, im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft der EU Südzypern anzuerkennen; und Besuche einiger Delegierten aus den USA in Nordzypern, die gefolgt waren von Besuchen einiger Geschäftsleute aus Aserbaidschan und einer privaten Fluggesellschaft aus diesem Land, die den ersten Direktflug von dort nach Nordzypern durchführte, wurden verwirklicht.
Die Situation der Türkei ist im Vergleich mit der Zeit vor dem Referendum sehr viel schwieriger und gleichzeitig viel einfacher. Das bedeutet, dass die Betrachtung, die Perspektive der Frage die Alternative festlegen wird.
Die erste Alternative:
Erstens; die Türkei ist nicht in einer Position, "EU-Mitgliedschaft um jeden Preis" zu sagen. Zu sagen "um jeden Preis" hieße zu akzeptieren, was die EU und Griechenland beim Thema Zypern sagen. So eine Unter-werfung würde weitere endlose Ansprüche mit sich bringen. Überdies würde dann herauskommen, dass die Haltung der türkischen Bourgeoisie gegenüber den türkischen Gesellschaften und Staaten außerhalb der Grenzen der Türkei nicht aufrichtig ist. Denn im Falle einer Unterwerfung würde sich diesen Gesellschaften der Gedanke aufdrängen: "Wer Zypern verkauft, wird uns erst recht verkaufen". Ein weiteres Ergebnis einer solchen Unterwerfung wäre, dass sich in der türkischen Gesellschaft die Auffassung verbreiten würde, dass die Bourgeoise unzuverlässig bei der Wahrung der "nationalen" Belange ist. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Bourgeoisie, die darauf brennt, ihre Fühler von der adriatischen Küste bis zu der chinesischen Mauer auszustrecken, solch ein Zugeständnis machen würde.
Zweitens; die Widersprüche zwischen den USA und der EU verschärfen sich zusehend. Die mögliche zeitweilige Entspannung vermag das Fortschreiten des widersprüchlichen Prozesses nicht zu übertünchen. Aus diesem Grund werden die USA der Türkei nicht so einfach erlauben, sich der EU beim Thema Zypern zu unterwerfen, um Mitglied der EU zu werden. Denn das hieße, dass die USA Zypern der EU überlassen würden. Aber das wird der US-Imperialismus aufgrund der Bedeutung, die Zypern in seiner Geopolitik hat, nicht kampflos zulassen.
Die zweite Alternative:
Wie bereits oben erwähnt wurde, kann die türkische Bourgeoisie um der Bedeutung Zyperns willen der EU Widerstand entgegensetzen, indem sie den Prozess des Beitritts abzubrechen riskiert. Hier geht es um alles oder nichts. In diesem Fall würde der Einfluss der EU auf die Türkei geschwächt werden und ihre Ausdehnung über die Türkei in den Mittleren Osten ein Traum bleiben. Man darf nicht außer Acht lassen, dass der US-Imperialismus bei einem solchen Schritt der türkischen Bourgeoisie eine wichtige Rolle spielen würde. Um die EU von der Region fernzuhalten, werden die USA die Türkei so wie bisher auch weiterhin ermutigen. Möglicherweise überlassen sie ihr auch einige Krümel.
Es spielt keine Rolle aus welcher Perspektive man die Sache betrachtet, die Frage beruht auf dem Verlauf der Konkur-renz, dem Kräfteverhältnis zwischen den USA und der EU. Deswegen ist die Situation der Türkei, verglichen mit früher, ziemlich kompliziert.
Wie sollte die marxistische Haltung bei einer Lösung der Zypernfrage aussehen?
Auf einer kleinen Insel mit einer Gesamtbevölkerung von nur 700.000 bekämpfen und balgen sich die bekanntesten führenden imperialistischen Schurkenländer und erklären, dass all das für die Zukunft der Zyprioten geschehe, damit sie in Frieden leben könnten. Ein Teil ihrer Doppelzün-gigkeit ist die Bedrohung der Völker auf der Insel. Sie drängen auf die Akzeptanz des Annan-Plans, indem sie sagen, "dies ist eine letzte Chance". Sie erzeugen so eine Stimmung, als ob die "Vereinigte Republik Zypern" durch den Annan-Plan entstehen würde.
Sie gründen eine Republik nach einem Plan, der ausgearbeitet wurde, ohne die Meinung des türkischen und des griechi-schen Völker einzuholen, die die wahren Besitzer der Insel sind!
Auf Seite 3 des erwähnten Plans heißt es: "Die Republik Griechenland, die Türkische Republik, das Vereinte Königreich von Großbritannien und Nordirland erklären sich hiermit einverstanden, mit dieser umfassen-den Übereinkunft der Zypernfrage und verpflichten sich, gemeinsam mit Zypern den beigefügten Vertrag über Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem neuen Zustand auf Zypern zu unterschreiben, der gemäß Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen als internationaler Vertrag regis- triert wird."
Hiermit erklären diejenigen, die sagen, dass sie der Insel Frieden bringen wollen, dass die Völker von Zypern nicht über die Zukunft Zyperns entscheiden können.
Der Annan-Plan hat den bis dahin gültigen türkischen und griechischen Status quo erschüttert und diese Länder gezwungen, ihre Strategien über Zypern neu zu überdenken. Bis zu diesem Tag hielt der Kompromiss, sich nicht zu versöhnen, die Ungelöstheit als Lösung an. Zusammen mit diesem Plan wurde eine Möglichkeit des "Friedens" als etwas Neues präsentiert. Nach dem Willen der Völker von Zypern für diesen "Frieden" wurde nicht gefragt. Die Zukunft Zyperns wurde an das Kräfteverhältnis der Mächte geknüpft, die unter dem Vorwand des "Friedens" und des "vereinten Zypern" um die Hegemonie auf der Insel kämpfen. Wie auch in der Vergangenheit so hat auch der gegenwärtige Frieden die Handschrift der Hellenischen Republik, der Türkischen Republik und Großbritanniens. Auch die Handschrift der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der USA sind zu erahnen.
Seitdem der geographische Horizont der Menschheit sich erweitert hat und Plünderung und Hegemonie sich verbreitet haben, ist die Insel Zypern immer von den Hegemoniekräften jeder Periode besetzt, beherrscht und gekauft und verkauft worden. So wurde es verpachtet, wie von den Osmanen, und später von den außen stehenden Mächten zur unabhängigen Republik erklärt. Zypern wurde nicht von den Zyprern regiert, sondern von den Mächten, die das östliche Mittelmeer beherrschten. Während all dieser Entwicklungen wurde nicht nach dem Willen des zyprischen Volkes gefragt. Während der gesamten Geschichte war das Volk von Zypern seines Selbstbestimmungs-rechtes beraubt. Auch in dem neuen Bemühen um "Frieden" wurden die Zyprioten wieder außen vor gelassen.
Die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen auf beiden Hälften der Insel sind weit von einer Lösung, entstanden als Produkt ihres eigenen Willens und von einer Organisation mit diesem Ziel entfernt. Die bürgerliche Hegemonie auf beiden Seiten, der Chauvinismus und die Feindschaft -die stets genährt, provoziert und lebendig gehalten wurden- spielen eine prägende Rolle für das Entstehen dieser Situation. Auf beiden Seiten steht das zyprische Volk heute noch nicht vor einer Option, die über die eine oder andere Form der bürgerlichen Option hinausgehen würde. Deswegen sind sie auf die eine oder andere Art stets gezwungen gewesen, hinter den bürgerlichen Optionen herzutraben oder sich ihnen zu unterwerfen.
Die EU ist die populäre Option der letzten Zeit. Es gibt einen starken Glauben daran, die EU könne alle Probleme lösen und der Insel Frieden und Wohlstand bescheren.
Der hohe Lebensstandard auf der griechi-schen Seite spielt eine große Rolle für die Betrachtung der EU als Erlöserin auf der türkischen Seite. Dies hat auch eine sehr wichtige Rolle dafür gespielt, dass die türkische Seite ja zum Annan-Plan gesagt hat. Es gibt keinen Grund zur Überraschung, dass einer der Verantwortlichen, die die Insel überhaupt in diese Lage gebracht haben als Erlöser angesehen wird.
Unter den Bedingungen imperialistischer Besatzung und Konkurrenz ist es ausgeschlossen, eine dauerhafte Lösung in der Zypernfrage zu erreichen. Eine Lösung, die das Ergebnis imperialistischer Politik ist, kann Zypern keinen wahren Frieden bieten. Zypern mag unter der Hegemonie der USA oder der EU vielleicht einen hohen Grad an "Wohlstand" erreichen, und dies mag auch für eine gewisse Weile anhalten, aber parallel zu den Veränderungen in den Kräfteverhält-nissen unter den imperialistischen Konkur-renzzentren wird wieder einer an Zypern rühren und Konflikte, von denen man dachte, es gäbe sie nicht mehr, werden erneut auf der Tagesordnung sein.
Die Zyprioten, also die einheimischen Inselvölker, werden diejenigen sein, die eine dauerhafte Lösung der Zypernfrage schaffen. Aus diesem Grund oder für die Schaffung der materiellen Voraussetzungen einer wahren Lösung müssen die Türkei und Griechenland ihre Armeen von der Insel abziehen und Großbritannien, die USA und die EU müssen sich vollkommen von der Insel zurückziehen. Nur unter diesen Bedingungen können die Inselvölker die Möglichkeit wahrnehmen, ihre Zukunft frei zu bestimmen.
Die Insel Zypern wird nicht durch die Inselvölker zum Problem gemacht. Diejeni-gen, die Zypern zu einem Problem machen, sind die Türkei, Griechenland und die imperialistischen Mächte, die Zypern zusammen mit ihren lokalen Kollaborateuren beherr-schen wollen. Aufgrund der Konkurrenz unter ihnen wird Zypern zu einem Problem. Diese Mächte sind die Hauptverantwort-lichen dafür, dass die Zypernfrage zu einem Konflikt und einer Auseinandersetzung zwi-schen den Völkern geworden ist.
Die Sozialistische Partei Zyperns nimmt in ihrem Programm folgende Haltung ein: "Die Beziehungen zwischen den griechischen und den türkischen Zyprioten in friedlicher und solidarischer Art und Weise zu organisieren ist unmöglich, solange sich auf der einen Seite die Interessenkonflikte der großen imperialistischen Mächte und auf der anderen Seite die Interessenkonflikte der regionalen und einheimischen Bourgeoisien auf einer kleinen Insel ins Gehege kommen; solange die Hegemonie der Bourgeoisie und über diese Hegemonie die Politik zur Sicherung der Interessen der großen und regionalen Mächte andauern. Die Lösung der Zypernfrage ist unmöglich". Der Imperialis-mus und die türkische und griechische Bourgeoisie und ihre verlängerten Arme auf Zypern haben die demokratische Lösung der Zypernfrage unter den heutigen Bedingun-gen unmöglich gemacht. Zypern ist faktisch in zwei geteilt, sowohl geographisch wie auch politisch und die beiden Völker der Insel wurden einander entfremdet. Die beiden Völker sind durch reaktionäre, natio-nalchauvinistische Barrieren voneinander getrennt. Dies stellt für sie ein entscheidendes Hindernis der Entwicklung eines gemeinsamen Willens dar. Und dies ist das größte Hindernis für ein "vereinigtes Zypern".
Die MLKP unterstützt jede Aktivität, die der Einheit und Freiheit des zyprischen Volkes dient. Sie unterstützt die Forderungen für ein Ende der Besatzung, für ein ver-einigtes und unabhängiges Zypern, den Abzug aller militärischen Kräfte aus Zypern, die Schließung der Militärstützpunkte, das Ende des Garantiemachtstatus der Türkei, Griechenlands und Großbritanniens und erhebt sie als ihre eigenen Forderungen.
Ein vereinigtes und demokratisches Zypern bedeutet eine gemeinsame Zukunft der türkischen und griechischen Völker auf Zypern. Dies ist jedoch eine Frage der Revolution. Ein vereinigtes und unabhängiges Zypern könnte durch die Schaffung eines sozialistischen Zypern erreicht werden. Nur dann würde die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Völker auf der Grundlage des freien Willens umgesetzt sein. Die wahre Lösung für Zypern wäre das Ergebnis des eigenen Willens und der eigenen Aktivität der zypriotischen Völker.
Die Frage der Revolution auf Zypern birgt aufgrund der besonderen strategischen Position der Insel Schwierigkeiten, -Bemühungen der imperialistischen Mächte, eine Revolution in Zypern zu ersticken und die Teilnahme der türkischen und griechi-schen Bourgeoisien daran-, aufgrund der Frage der Kraft und des Fehlens eines starken sozialistischen Landes oder sozialistischer Länder. Die internationale Solidarität und der Kampf sind deshalb für die zypriotische Revolution zwingend erforderlich. Die Meinung, die auch die Sozialistische Partei Zyperns in ihrem Programm vertritt- "gemeinsam mit den Arbeitern der Türkei, Griechenlands und Großbritanniens und der Weltbewegung der Werktätigen in internationaler Solidarität einen kontinuierlichen Kampf für die sofortige Erfüllung unseres Sehnens nach Frieden zu führen" - weist auf die internationalistischen, historischen und politischen Aufgaben hin.
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